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Das Pflichtteilsrecht verstößt nicht gegen das Grundgesetz

Von: Dr. Georg Weißenfels

BVerfG - Beschluss vom 30.08.2000 - 1 BvR 2464/97

  • Vater wird nach dem Tod seiner Frau mit Pflichtteilsforderung des Sohnes konfrontiert
  • Pflichtteilsklage des Sohnes ist vor den Zivilgerichten erfolgreich
  • Verfassungsklage des Vaters gegen das Urteil des OLG scheitert

Das Bundesverfassungsgericht hatte in einer typischen Pflichtteilsauseinandersetzung Gelegenheit, sich zur Verfassungsmäßigkeit des im deutschen Erbrecht geltenden Pflichtteilrechts zu äußern.

In der Angelegenheit hatten sich Eheleute in einem notariellen Testament wechselseitig als alleinige Erben eingesetzt. Die Eheleute hatten drei Söhne.

Die Eheleute hatten in ihrem Testament auch deutlich gemacht, dass sie von ihren Söhnen erwarten, dass diese nach dem Ableben des zuerst versterbenden Ehegatten keinen Pflichtteil fordern. Die Eheleute hatten in ihrem Testament eine so genannte Pflichtteilsklausel aufgenommen.

Eltern stellen in Testament klar, dass sie keine Pflichtteilsforderungen der Kinder wünschen

Inhalt dieser Klausel war, dass derjenige Sohn, der gegenüber dem überlebenden Elternteil seinen Pflichtteil durchsetzt, auch nach dem Tod des Längstlebenden lediglich seinen Pflichtteil erhalten sollte.

Die Ehefrau verstarb im Jahr 1993. Der jüngste der drei Söhne machte nach dem Tod seiner Mutter Pflichtteilsansprüche gegenüber seinem Vater geltend.

Nachdem der Vater nicht bereit war, der Pflichtteilsforderung des Sohnes nachzukommen, erhob der Sohn Klage gegen seinen Vater. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht gaben der Pflichtteilsklage des Sohnes statt.

Vater erhebt Verfassungsbeschwerde

Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts erhob der Vater Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht.

In seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Vater, dass das in Deutschland geltende Pflichtteilsrecht verfassungswidrig sei. Durch das Pflichtteilsrecht werde die durch das Grundgesetz geschützte Testierfreiheit des Erblassers in unzulässiger Weise eingeschränkt.

Es müsse dem Erblasser überlassen bleiben, seine Erbfolge nach eigenem Gutdünken zu regeln. Das Erbrecht habe seine Bedeutung für die wirtschaftliche Versorgung von Angehörigen weitestgehend verloren. Insoweit sei auch die Rechtfertigung für das Pflichtteilsrecht entfallen.

Vater trägt plausible Gründe gegen das Pflichtteilsrecht vor

Die Erben seien schließlich im maßgeblichen Zeitpunkt oft selber schon im Rentenalter und müssten daher aus Versorgungsgründen nicht mehr am Vermögen des Erblassers partizipieren.

Schließlich verwies der Beschwerdeführer noch auf die in der DDR geltende Regelung zum Pflichtteilsrecht, die einen Anspruch auf den Pflichtteil von der Bedürftigkeit des Pflichtteilsberechtigten abhängig machte.

Die durchaus nachvollziehbaren Argumente des Beschwerdeführers konnten das Bundesverfassungsgericht allerdings nicht überzeugen.

Die Verfassungsbeschwerde wurde erst gar nicht zur Entscheidung angenommen, da ihr nach Auffassung des Verfassungsgerichts keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zukam. Im Übrigen habe sie, so das Verfassungsgericht, auch inhaltlich keine Aussicht auf Erfolg gehabt.

Verfassung garantiert das Verwandtenerbrecht

In der Begründung seiner Entscheidung wies das Verfassungsgericht darauf hin, dass die nach Art. 14 GG gewährleistete Erbrechtsgarantie zwar auf der einen Seite die Testierfreiheit des Erblassers umfasse. Auf der anderen Seite gewährleiste die Erbrechtsgarantie in Art. 14 GG auch das Verwandtenerbrecht.

Der Gesetzgeber könne Inhalt und Schranken des Erbrechts bestimmen. Die Erbrechtsgarantie in Art. 14 GG garantiere, so das Verfassungsgericht, jedenfalls nicht das unbedingte Recht eines Erblassers, seinen vorhandenen Eigentumsbestand durch letztwillige Verfügung ungemindert auf Dritte zu übertragen.

Mit Hinweis auf frühere Urteile befand das Gericht, dass "der in den geltenden Pflichtteilsvorschriften geregelte Ausgleich zwischen Testierfreiheit und Verwandtenerbrecht den verfassungsrechtlichen Vorgaben genügt".

Pflichtteil muss unangetastet bleiben

Die Erbrechtsgarantie verschaffe dem Erblasser lediglich das Recht, einen gesetzlichen Erben von der Nachlassbeteiligung auszuschließen und wertmäßig auf den gesetzlichen Pflichtteil zu beschränken.

Die Möglichkeit, einen gesetzlichen Erben komplett vom Vermögen des Erblassers fernzuhalten sei nur unter den engen Voraussetzungen des § 2333 BGB gegeben.

Nachdem es in dem dem Verfassungsgericht vorliegenden Fall allerdings nicht um die Frage ging, ob die Vorschriften des bürgerlichen Rechts zum Entzug des Pflichtteils verfassungskonform sind, verblieb es bei dem Verdikt des Gerichts, wonach das geltende Pflichtteilsrecht verfassungskonform sei und die Erblasserin im konkreten Fall auch nicht unverhältnismäßig in ihrer Testierfreiheit eingeschränkt habe.

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