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§ 2315 BGB - Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil

Von: Dr. Georg Weißenfels

§ 2315 BGB - Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil

(1) Der Pflichtteilsberechtigte hat sich auf den Pflichtteil anrechnen zu lassen, was ihm von dem Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll.

(2) Der Wert der Zuwendung wird bei der Bestimmung des Pflichtteils dem Nachlass hinzugerechnet. Der Wert bestimmt sich nach der Zeit, zu welcher die Zuwendung erfolgt ist.

(3) Ist der Pflichtteilsberechtigte ein Abkömmling des Erblassers, so findet die Vorschrift des § 2051 Abs. 1 entsprechende Anwendung.

Der Pflichtteil soll sicherstellen, dass Abkömmlinge, Ehepartner und gegebenenfalls die Eltern des Erblassers mit einem gesetzlich garantierten Mindestanteil im Erbfall am Vermögen des Erblassers partizipieren. Dem Erblasser ist es verwehrt, nächste Angehörige im Erbfall komplett von seinem Vermögen fernzuhalten. In Höhe der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils sind Pflichtteilsberechtigte jedenfalls immer mit von der Partie.

Das Pflichtteilsrecht und die verpflichtende Mindestbeteiligung von nächsten Angehörigen oder den Ehepartnern können aber dann überflüssig werden, wenn der Erblasser dem Pflichtteilsberechtigten bereits zu Lebzeiten Zuwendungen aus seinem Vermögen gemacht hat und gleichzeitig festgelegt hat, dass sich der Pflichtteilsberechtigte diese Zuwendungen auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen muss.

Für diesen Fall geht das Gesetz in § 2315 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) davon aus, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht mehr schutzbedürftig ist. Er hat - wenn auch zu Lebzeiten - finanzielle Werte vom Erblasser erhalten. Soweit der Erblasser angeordnet hat, dass sich der Betroffene diese Werte auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen muss, verringert sich der Pflichtteil.

Technisch vollzieht sich diese Anrechnung dergestalt, dass in einem ersten Schritt der Wert der anrechnungspflichtigen Zuwendung dem Nachlass hinzugerechnet wird. Auf Grundlage dieses fiktiv erhöhten Nachlasses wird dann der Pflichtteil berechnet. In einem zweiten Schritt wird dann der Wert der Zuwendung von dem so errechneten Pflichtteil abgezogen.

Beispiel:

Der Wert des Nachlasses beträgt 100.000. Der Erblasser ist verheiratet und hat ein Kind. Das Kind hat der Erblasser von der Erbfolge ausgeschlossen. Das Kind hat zu Lebzeiten bereits eine anrechnungspflichtige Zuwendung in Höhe von 5.000 erhalten.

Der fiktive Nachlass beträgt 105.000.
Die Pflichtteilsquote für das Kind beträgt ¼.
Rechnerischer Pflichtteil: 26.250
Von diesem rechnerischen Pflichtteil ist die Zuwendung in Höhe von 5.000 abzuziehen.

Der Pflichtteilsanspruch des Kindes beträgt 21.250.

Kaufkraftschwund berücksichtigen

In § 2315 Abs. 2 S. 2 BGB ist bestimmt, dass sich der Wert der anrechnungspflichtigen Zuwendung nach der Zeit bestimmt, zu welcher die Zuwendung erfolgt ist. Dies bedeutet, dass insbesondere bei Geldzuwendungen eine Preisindexierung des Zuwendungswertes vorgenommen werden muss.

Liegt die Zuwendung im obigen Beispielsfall zum Zeitpunkt des Erbfalls beispielsweise bereits zehn Jahre zurück, so wäre es ungerecht, die vollen 5.000 Euro mindernd anzurechnen, da die Geldentwertung während der letzten 10 Jahre berücksichtigt werden muss. Rechnerisch wird dies durch folgende Formel bewältigt:

Zuwendung x Preisindex Todesjahr
Preisindex Jahr der Zuwendung

Wegfall eines Abkömmlings

In § 2315 Abs. 3 BGB wird § 2051 Abs. 1 BGB für anwendbar erklärt. Mit diesem Verweis wird geregelt, dass für den Fall, dass ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling (nicht Elternteil oder Ehepartner) vor oder nach dem Erbfall wegfällt, der an Stelle des wegfallenden Abkömmlings Nachrückende sich die Zuwendungen, die der weggefallene Abkömmling erhalten hat, ebenfalls auf seinen Pflichtteil anrechnen lasen muss.

Dies gilt nicht, wenn der Nachrücker nachweisen kann, dass eine solche Anrechnung nicht dem Willen des Erblassers entsprochen hätte.

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