§ 2313 BGB - Ansatz bedingter, ungewisser oder unsicherer Rechte; Feststellungspflicht des Erben

Von: Dr. Georg Weißenfels

§ 2313 BGB - Ansatz bedingter, ungewisser oder unsicherer Rechte; Feststellungspflicht des Erben

(1) Bei der Feststellung des Wertes des Nachlasses bleiben Rechte und Verbindlichkeiten, die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig sind, außer Ansatz. Rechte und Verbindlichkeiten, die von einer auflösenden Bedingung abhängig sind, kommen als unbedingte in Ansatz. Tritt die Bedingung ein, so hat die der veränderten Rechtslage entsprechende Ausgleichung zu erfolgen.

(2) Für ungewisse oder unsichere Rechte sowie für zweifelhafte Verbindlichkeiten gilt das Gleiche wie für Rechte und Verbindlichkeiten, die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig sind. Der Erbe ist dem Pflichtteilsberechtigten gegenüber verpflichtet, für die Feststellung eines ungewissen und für die Verfolgung eines unsicheren Rechts zu sorgen, soweit es einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht.

Die Berechnung des Pflichtteils lebt vom so genannten Stichtagsprinzip. An dem Tag, an dem der Erblasser verstirbt, wird das Erblasservermögen bewertet und der Berechnung des Pflichtteils zugrunde gelegt.

Dieses Stichtagsprinzip kann aber nicht in jedem Fall durchgehalten werden. § 2313 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) beschreibt solche Ausnahmen vom Stichtagsprinzip. Das Gesetz erkennt damit an, dass eine nachträgliche Veränderung des Nachlasswertes auch zu einer nachträglichen Anpassung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs führen kann. Tritt einer der in § 2313 BGB abschließend (!) aufgezählten Fälle ein, so haben Erbe und Pflichtteilsberechtigter einen Rechtsanspruch auf eine Berücksichtigung dieser nachträglich geänderten Umstände.

Wichtig ist allerdings die Feststellung, dass die nachträglich Änderung des Pflichtteils die große Ausnahme ist. Grundsätzlich gilt das Stichtagsprinzip mit der Regel, dass sich die Höhe des Pflichtteils am Erblasservermögen am Todestag bemisst.

Für folgende Fälle weicht der § 2313 BGB die strenge Stichtagsregel auf:

Rechte oder Verbindlichkeiten stehen unter einer aufschiebenden Bedingung

Ist zum Zeitpunkt des Erbfalls aufgrund einer aufschiebenden Bedingung nicht absehbar, ob sich ein zum Erblasservermögen zählender Anspruch oder eine zum Erblasservermögen zählende Schuld in Zukunft tatsächlich realisiert, so bleibt dieser Anspruch bzw. diese Schuld bei der Ermittlung des Pflichtteils zunächst außer Betracht.

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Beispiel:

Erblasser vereinbart mit X, dass ihm dieser einen Betrag in Höhe von 50.000 Euro bezahlen soll, wenn der Wert der Aktie der deutschen Bank jemals über einen Stand von 70 Euro klettert.

Im Zeitpunkt des Erbfalls steht der Wert der Aktie bei 35 Euro. Der Anspruch auf 50.000 steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Aktie einen Stand von 70 Euro erreicht.

Der Betrag von 50.000 Euro bleibt bei der Berechnung des Pflichtteils zunächst außer Betracht. Erreicht die Aktie aber je einen Stand von 70 Euro, so hat eine Ausgleichung zu erfolgen. Der Pflichtteilsberechtigte kann eine entsprechende Nachzahlung verlangen.

Ungewisse oder unsichere Rechte bleiben bei der Berechnung des Pflichtteils zunächst außen vor

Ebenso wie bei Rechten und Verbindlichkeiten, die unter einer aufschiebenden Bedingung stehen, bleiben so genannte ungewisse oder unsichere Rechte bei der Berechnung des Pflichtteils zunächst unberücksichtigt.

Klassisches Beispiel für eine solche zweifelhafte Verbindlichkeit ist die vom Erblasser zu Lebzeiten zugunsten eines Dritten übernommene Bürgschaftsverpflichtung. Ob die Bürgschaft vom Gläubiger je in Anspruch genommen wird, richtet sich danach, ob der Hauptschuldner seiner Zahlungsverpflichtung nachkommt oder nicht.

Die Inanspruchnahme der Bürgschaft ist am Tag des Ablebens des Bürgen und Erblassers ungewiss. Wird sie zukünftig in Anspruch genommen, muss der Erbe als Rechtsnachfolger die Verpflichtung aus der Bürgschaft begleichen. Mit einer solchen Zahlung wird der Nachlass geschmälert. Der Pflichtteilsanspruch wird entsprechend im Wert gemindert. Auch hier hat – in diesem Fall zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten – eine Ausgleichung stattzufinden.

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