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Grundzüge des materiellen österreichischen Erbrechts

Von: Dr. Georg Weißenfels

Zum 01.01.2017 ändert sich das Erbrecht in Österreich in wesentlichen Teilen.

Informationen zur Reform des Erbrechts in Österreich finden Sie hier.

Die nachfolgenden Ausführungen stellen die Rechstlage bis zum 31.12.2016 dar.

In Österreich wird ebenso wie in Deutschland zwischen der gesetzlichen und der so genannten gewillkürten Erbfolge unterschieden. Dies bedeutet, dass sich die Erbfolge nach dem Willen des Erblassers richtet, wenn dieser ein wirksames Testament oder einen wirksamen Erbvertrag errichtet hat.

Fehlt es an einer solchen Verfügung, dann bestimmt das Gesetz, von wem der Erblasser beerbt wird.

Gesetzliche Erbfolge

Nach § 727 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch) greift die gesetzliche Erbfolge unter anderem dann ein, wenn „der Verstorbene keine gültige Erklärung des letzten Willens hinterlassen“ (Testament oder Erbvertrag) hat.

Als gesetzliche Erben können nach österreichischem Recht die Verwandten des Erblassers, sein Ehegatte und auch den eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partner im Erbfall zum Zuge kommen, § 730 ABGB.

In Österreich gilt zur Ermittlung der gesetzlichen Erben das so genannte Parentelsystem nach §§ 730 ff. ABGB. Danach sind zunächst als 1. Parentel die Kinder des Erblassers als Erben berufen. Die Kinder des Erblassers erben (vorbehaltlich des Erbrechts des überlebenden Ehegatten) allein, § 732 ABGB.

Sind keine Kinder vorhanden, so kommen als 2. Parentel die Eltern des Erblassers und deren Nachkommen als Erben in Frage, §§ 735-737 ABGB.

Gibt es auch in der 2. Parentel keine gesetzlichen Erben, geht die Erbschaft an die 3. Parentellinie, dies sind die Großeltern des Erblassers mitsamt ihren Nachkommen, §§ 738-740 ABGB.

Schließlich kann auch noch die 4.Parentellinie, die Urgroßeltern als gesetzliche Erben in Frage kommen, wenn kein Erbe aus einer vorangehenden Parentel zur Erbschaft berufen war. Nachfahren der Urgroßeltern kommen als gesetzliche Erben nicht zum Zuge, § 741 ABGB.

Erben einer vorangehenden Parentel schließen Erben nachfolgender Parentel von der gesetzlichen Erbfolge aus.

Neben den Verwandten zählt in Österreich auch der überlebende Ehegatte zu den gesetzlichen Erben. Sein gesetzliches Erbrecht ist in § 757 ABGB geregelt. Danach erhält der Ehegatte neben vorhandenen Kindern des Erblassers 1/3 des Nachlasses. Sind keine Kinder des Erblassers vorhanden, so erbt der Ehegatte neben den Eltern des Erblassers und den Großeltern zwei Dritteln des Nachlasses. Sein Erbteil kann sich noch erhöhen, wenn Geschwister oder Großeltern des Erblassers bereits vorverstorben sind.

Hatte der verheiratete Erblasser keine Kinder und waren auch seine Eltern, Geschwister und Großeltern schon vorverstorben, dann erbt der überlebende Ehegatte nach der in Österreich geltenden gesetzlichen Erbfolge den ganzen Nachlass allein.

Gibt es weder Verwandte noch einen Ehegatten als Erben, so fällt der Nachlass dem österreichischen Staat anheim, § 760 ABGB.

Gewillkürte Erbfolge durch Testament oder Erbvertrag

Der Erblasser kann nach österreichischem Recht auch von der gesetzlichen Erbfolge abweichen und sein Vermögen für den Fall seines Ablebens durch eine „Erklärung seines letzten Willens“ vermachen, § 552 ABGB.

Nimmt der Erblasser in seinem letzten Willen die Einsetzung eines Erben vor, dann nennt sich dieser letzte Wille in Österreich „Testament“. Enthält der letzte Wille keine Erbeinsetzung, sondern nur andere Verfügungen, so wird er „Codicill“ genannt.

Ebenso wie nach deutschem Recht setzt ein wirksamer letzter Wille die Testierfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung des letzten Willens voraus. Hat der Erblasser seine Erklärung in einem Zustand „mangelnder Besonnenheit“ errichtet, so ist sie unwirksam, § 566 ABGB.

Ein Testament kann in Österreich vom Erblasser ohne Hinzuziehung von Zeugen eigenhändig angefertigt werden, § 578 ABGB. Es ist vom Testator zwingend zu unterschreiben.

In Abweichung zum deutschen Recht ist es in Österreich auch möglich, ein Testament von einem Dritten verfassen zu lassen. Der Erblasser muss dieses Dokument allerdings eigenhändig unterschreiben und außerdem muss er vor drei Zeugen bestätigen, dass es sich bei dem Niedergeschriebenen um seinen letzten Willen handelt, § 579 ABGB.

Daneben sieht das österreichische Recht auch für Notfälle die Möglichkeit eines nur mündlichen Testamentes vor, § 597 ABGB.

Der Erblasser kann sein Testament schließlich auch vor einem österreichischen Gericht oder einem österreichischen Notar errichten, §§ 587 ff. ABGB.

Eheleute, Brautleute und eingetragene Partner können ihren letzten Willen nach den §§ 1249 ff. ABGB auch in einem Erbvertrag niederlegen. Ebenso wie nach deutschem Recht erzeugt ein solcher Erbvertrag Bindungswirkung zwischen den Vertragsparteien und kann nur einvernehmlich wieder aufgehoben werden, § 1254 ABGB.

In Testament oder Erbvertrag können Erblasser in Österreich zugunsten Dritter ein Legat (Vermächtnis) anordnen, § 535 ABGB.

Auch in Österreich gilt für den Erblasser keine uneingeschränkte Testierfreiheit, sondern das Gesetz schreibt ebenso wie in Deutschland für die Nachkommen des Erblassers, seinen Ehegatten und den eingetragenen Partner eine Mindestbeteiligung am Nachlass in Form eines Pflichtteils vor. Hat der Erblasser keine Kinder kommen auch seine Eltern als Pflichtteilsberechtigte in Frage, § 762 ABGB. Der Pflichtteil für Kinder und Ehegatten beträgt nach § 765 ABGB die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.

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