Grundzüge des materiellen griechischen Erbrechts

Von: Themis Tosounidis

Das in Griechenland geltende materielle Erbrecht ist in den Art. 1710 - 2035 ZGB (Zivilgesetzbuch) geregelt. Das griechische Erbrecht weist hinsichtlich seiner wesentlichen Struktur nach besonderen Ähnlichkeiten zu dem deutschen sowie dem französischen Erbrecht. Einige wesentliche Unterschiede existieren jedoch im Hinblick auf bestimmte Themen wie z.B. die Erbenstellung der Pflichtteilsberechtigten sowie das Verfahren zur Abwicklung einer Erbschaftsannahme.

Nachfolgend werden die nach dem griechischen Recht vorgesehene gesetzliche und willkürliche Erbfolge dargelegt:

Gesetzliche Erbfolge

Hat der Erblasser kein Testament hinterlassen, richtet sich die Erbfolge nach dem Gesetz. Das ZBG kennt dabei insgesamt sechs Gruppen von gesetzlichen Erben, die im ZGB als "Ordnungen" bezeichnet werden.

Als Erben erster Ordnung werden die Abkömmlinge des Erblassers (Nachfahren) zu Erben berufen. (d.h. sämtliche von ihm abstammende Personen Z.B. Kinder, Enkelkinder, Urenkelkinder etc.). Sie erhalten grundsätzlich die gesamte Erbschaft. Innerhalb dieser Ordnung wird die Erbfolge weiter nach Graden (Stämmen) differenziert. Dabei bildet jeder Abkömmling mit seinen Kindern einen Stamm innerhalb der Ordnung. Nähere Nachfahren desselben Stammes schließen dabei entferntere desselben Stammes aus. Fällt hingegen der anführende Verwandte innerhalb eines Stammes weg, (z.B. wegen Todes, Enterbung, Ausschlagung etc.) so treten statt seiner dessen Nachfahren im Wege der Stammfolge an dessen Erbenstellung ein.

Als Erben zweiter Ordnung beruft die Eltern des Erblassers, dessen Geschwister sowie die Kinder und Enkelkinder der vorverstorbenen Geschwister. Die Kinder und die Enkelkinder der vorverstorbenen Geschwister des Erblassers erben nach (den hier ebenfalls geltenden) Stämmen, die Kinder des vorverstorbenen Geschwisterteils dessen Enkelkinder ausschließen.

In der dritten Erbordnung werden die Großmütter und Großväter des Erblassers sowie deren Kinder sowie Enkelkinder zu Erben berufen. Leben im Zeitpunkt des Erbfalles die Großeltern beider Linien, sowohl väterlicher als auch mütterlicherseits, so erben diese zu gleichen Teilen.

In der vierten Ordnung sind die Urgroßväter und Urgroßmütter des Erblassers berufen die nebeneinander zu gleichen Teilen erben. Fallen zum Zeitpunkt des Erbfalles alle Urgroßeltern des Erblassers so greift die Erbfolge nach Ordnungen ein, womit dann gleich die fünfte Ordnung eingreift (siehe weiter unten).

Da der Ehegatte nicht mit dem Erblasser verwandt ist wird sein Erbrecht nicht durch die vorgenannte Erbordnungen bestimmt. Wenn der Ehegatte des Erblassers noch am Leben ist, erbt er daneben in der ersten Ordnung zu 1/2, in der 2.,3. und 4. Ordnung zu 1/2. Sind keine Erben der ersten bis vierten Ordnung vorhanden, so wird der Ehegatte gem. Art. 1821 ZGB zum Alleinerben fünfter Ordnung berufen.

Sollte zum Zeitpunkt des Erbfalles weder ein gesetzlich zum Erben berufener Verwandter gemäß den vorgenannten Ordnungen noch ein Ehegatte so wird der griechische Fiskus zum Alleinerben berufen.

Regelung der Erbfolge durch Testament bzw. Erbvertrag

Der Erblasser hat die Möglichkeit die im Gesetz geregelte Erbfolge auszuschließen und seinen Erbgang nach eigenen Vorstellungen in einem Testament zu regeln. Erbverträge bzw. gemeinschaftliche Testamente sind im griechischen Recht nicht zulässig, somit muss jeder sein persönliches Testament verfassen.

Ein Testament darf entweder privatschriftlich (also komplett eigenhändig vom Erblasser), notariell oder als "geheimes" Testament verfasst werden. Im letzten Fall hat der Verfügende bei Anwesenheit von drei Zeugen oder einem zweiten Notar und einem Zeugen dem Notar ein Dokument zu übergeben und ihm mündlich zu erklären, dass dies seinen letzten Willen enthalte.

Durch ein wirksames Testament kann der Erblasser sein ganzes Vermögen oder auch nur Teile davon für den Fall seines Ablebens auf einen oder mehrere Erben übertragen. Ebenso wie in Deutschland kann auch der Erblasser nach griechischem Recht in sein Testament Bedingungen oder Auflagen aufnehmen, ein Vermächtnis aussetzen, Ersatzerben bestimmen, oder einen Testamentsvollstrecker einsetzen, usw.

Im griechischen Recht wird ein Pflichtteilsrecht zugunsten des Ehegatten vorgesehen, sowie zugunsten der Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel etc) als auch der Eltern des Erblassers, sofern letztere als Erben berufen werden. Die Höhe des Pflichtteils beträgt die Hälfte des Anteils, der dem Pflichtteilsberechtigten im Falle der gesetzlichen Erbfolge zugestanden hätte. Dem Pflichtteilsberechtigten steht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch für den Fall zu, dass der ihm hinterlassene Erbteil geringer ist als der ihm gesetzlich zustehende Pflichtteil.

Eine Verletzung des Pflichtteils liegt vor, soweit der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser in seinem Testament übergangen wird, bzw. ein kleinerer als der entsprechende Pflichtteil Teil der Erbschaft hinterlassen wird. Ein Unterschied zu deutschen Recht besteht darin, dass der Pflichtteilsberechtigte, sofern er seine Rechte ausübt, als Erbe betrachtet wird, und somit kann er einen Teil des Erbvermögens beanspruchen. Dies bedeutet, dass er z.B. einen Anteil einer Immobilie als Recht und nicht Geldentschädigung hierfür geltend machen darf.

Sollte zum Zeitpunkt des Todes keine Vermögensgegenstände beim Erblasser existieren, letzterer hat aber zu Lebzeiten und zwar in den letzten 10 Jahren vor dem Tod unentgeltlich Verfügungen vorgenommen haben, dann kann der Pflichtteilsberechtigte diese Verfügungen bis zum Teil seines Pflichtteils anfechten. Bei solchen Verfügungen an anderen Pflichtteilsberechtigten werden solchen ohne die obige 10-jährige Frist betrachtet bzw. mitgerechnet.

Dieser Beitrag stammt von Herrn Rechtsanwalt Themis Tosounidis, Kosmidis & Partner Anwaltsgesellschaft, Griechenland.

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