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Transmortale Vollmacht reicht für Belastung eines Grundstücks nach dem Tod des Eigentümers

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Frankfurt a. Main – Beschluss vom 27.06.2017 – 20 W 179/17

  • Ehefrau erteilt ihrem Mann umfassende Vorsorgevollmacht
  • Ehemann will mit Hilfe der Vollmacht nach dem Tod seiner Frau das Grundbuch ändern
  • Grundbuchamt besteht auf einem Erbschein und weigert sich die Änderung zu vollziehen

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte in einer grundbuchrechtlichen Angelegenheit darüber zu entscheiden, ob nach dem Tod einer Immobilieneigentümerin eine von dieser erteilte transmortale Vollmacht ausreicht, um eine Auflassungsvormerkung und eine Finanzierungsbelastung in das Grundbuch eintragen zu lassen.

In der Angelegenheit war ein Ehepaar je zu ½ Eigentümer einer Eigentumswohnung.

Die Eheleute hatten am 25.04.1990 unter Beteiligung ihrer einzigen Tochter einen Erbvertrag geschlossen. In diesem Erbvertrag hatten sich die Eheleute gegenseitig als alleinige Erben eingesetzt. Die Tochter hatte auf ihren Pflichtteil verzichtet. Schlusserbe sollte die Enkelin werden.

Vier Jahre später errichteten die Eheleute dann ein gemeinsames Testament, in dem sie den Erbvertrag aus dem Jahr 1990 für ungültig erklärten. Auch in diesem Testament setzten sich die Eheleute gegenseitig als Alleinerben ein. Erbin des zunächst überlebenden Ehepartners sollte laut diesem Testament die gemeinsame Tochter des Ehepaares sein.

Ehefrau erteilt ihrem Mann eine umfassende Vollmacht

Im Mai 2013 erteilte die Ehefrau ihrem Mann eine Vorsorgevollmacht, die über den Tod hinaus Geltung haben sollte und auch die Besorgung der Vermögensangelegenheiten der Ehefrau umfasste.

Die Ehefrau verstarb in der Folge im Jahr 2017.

Der Ehemann wollte nachfolgend die Eigentumswohnung des Ehepaares veräußern. In einem notariellen Vertrag bewilligte er – kraft Vollmacht auch für seine verstorbene Ehefrau handelnd – zugunsten des Erwerbers eine Auflassungsvormerkung sowie eine Grundschuld zur Finanzierung der Kaufpreisforderung.

Der Urkundsnotar beantragte sodann die Eintragung der Vormerkung und der Grundschuld beim Grundbuchamt.

Grundbuchamt weigert sich, die Eintragung im Grundbuch zu vollziehen

Das Grundbuchamt weigerte sich aber, die Eintragung zu vollziehen. Es ließ den Antragsteller wissen, dass vor der beantragten Eintragung das Grundbuch berichtigt und das Eigentum an der Wohnung auf den Ehemann ungeschrieben werden müsse.

Für eine solche Grundbuchberichtigung sei zum Nachweis der Erbfolge vom Ehemann ein Erbschein vorzulegen.

Gegen diesen Beschluss des Grundbuchamtes legte der Notar für den Ehemann Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

OLG gibt dem Ehemann Recht

Beim OLG hielt man die Beschwerde auch für begründet und wies das Grundbuchamt an, den vorliegenden Eintragungsantrag jedenfalls nicht aus den bisher mitgeteilten Gründen abzulehnen.

In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass der Ehemann auf Grundlage der ihm von seiner Ehefrau vor deren Tod erteilten Vollmacht das Recht und die Möglichkeit habe, über das zum Nachlass gehörende Vermögen in Vertretung seiner Ehefrau zu verfügen.

Eine Voreintragung des Ehemannes in das Grundbuch sei weder für die Eintragung einer Vormerkung noch  im Hinblick auf die einzutragende Grundschuld erforderlich.

Voreintragung des Erben nicht notwendig

Das OLG verwies in diesem Zusammenhang auf die Vorschrift in § 40 GBO:

Ist die Person, deren Recht durch eine Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten, so ist die Vorschrift des § 39 Abs. 1 GBO nicht anzuwenden, wenn die Übertragung oder die Aufhebung des Rechts eingetragen werden soll oder wenn der Eintragungsantrag durch die Bewilligung des Erblassers oder eines Nachlasspflegers oder durch einen gegen den Erblasser oder den Nachlasspfleger vollstreckbaren Titel begründet wird.

Danach sei der Erbe unter bestimmten Voraussetzungen von der Pflicht zur Voreintragung befreit, „um ihm die Kosten einer Eintragung zu ersparen, die bei der Übertragung oder Aufhebung des Rechts sogleich wieder zu löschen wäre (Meikel-Böttcher, GBO, 11. A., § 40 Rz. 1).“

Analoge Anwendung des § 40 GBO

Eine analoge Anwendung des § 40 GBO sei nach herrschender Meinung jedenfalls auf die Eintragung einer Vormerkung zulässig.

Aber auch in Bezug auf die Eintragung der Finanzierungsgrundschuld sah das OLG keine Veranlassung, auf eine Voreintragung des Ehemannes zu bestehen.

Auch in diesem Fall müsse nach dem Gesetzeszweck des § 40 GBO, nämlich dem Erben unnötige Kosten für eine Eintragung, die alsbald wieder aus dem Grundbuch gelöscht wird, von dem Erfordernis einer Voreintragung des Erben abgesehen werden.

Im Ergebnis konnte sowohl Vormerkung als auch Finanzierungsgrundschuld in das Grundbuch eingetragen werden, ohne dass der Ehemann einen kostenpflichtigen Erbschein vorlegen musste.

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