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Stiefkinder bleiben bei einem gemeinschaftlichen Testament Schlusserben, auch wenn ein Stiefkind als Erbe wegfällt

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Hamm – Beschluss vom 27.11.2012 – I-15 W 134/12

  • Eheleute erreichten gemeinsames Testament und setzen die Töchter des Mannes als Schlusserben ein
  • Nach dem Tod des Ehemannes schließt die Ehefrau einen Erbvertrag ab
  • Die Erbfolge richtet sich nach dem zeitlich früheren Testament

Das Oberlandesgericht Hamm hatte im Rahmen eines Erbscheinverfahrens die Erbfolge in Anbetracht eines vorliegenden gemeinschaftlichen Testaments zweier Eheleute zu beurteilen.

Die Ehepartner hatten am 08.02.1977 ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Typisch an diesem Testament war, dass sich die Eheleute in diesem Testament wechselseitig als Alleinerben einsetzten. Eher untypisch war, dass die Eheleute als Schlusserben nach dem Tod des Letztversterbenden in diesem Testament lediglich zwei Töchter des Ehemannes bestimmten.

Der letzte Wille sah also ausdrücklich vor, dass die Verwandtschaft der Ehefrau auch dann nicht an der Erbfolge teilnehmen solle, wenn die Ehefrau ihren Mann überleben sollte.

Gemeinsames Testament mit Pflichtteilsstrafklausel

Das Testament enthielt gleichzeitig eine so genannte Pflichtteilsstrafklausel. Dasjenige Kind, so diese Klausel, dass nach dem Tod des vorversterbenden Vaters seinen Pflichtteil geltend macht, sollte aus der Erbfolge ausscheiden und beim Tod der nachversterbenden Stiefmutter nicht mehr als Schlusserbe zum Zuge kommen.

In der Folge verstarb der Ehemann. Und tatsächlich machte eines seiner Kinder nach dem Tod des Vaters den Pflichtteil geltend. Es schied damit aus der Erbfolge aus. Als alleinige Schlusserbin war danach die Tochter des Ehemannes übrig geblieben, die den Pflichtteil nicht geltend gemacht hatte.

In der Folge errichtete die überlebende Ehefrau und Stiefmutter im Jahr 2006 einen weiteren Erbvertrag, bei dessen Abfassung sie davon ausging, dass sie bei der Regelung ihrer eigenen Erbfolge keinerlei Bindungen unterworfen sei.

Nach dem Tod der Ehefrau und Stiefmutter beantragte die übrig gebliebene Schlusserbin dann bei dem zuständigen Nachlassgericht den Erlass eines Erbscheins, der sie auf Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments ihres Vaters und der Stiefmutter als Alleinerbin ausweisen sollte.

Nachlassgericht will beantragten Erbschein erteilen

Nachdem das Nachlassgericht die Voraussetzungen für die Erteilung des so beantragten Erbscheins für gegeben erachtete, legte eine potentielle Erbin der Ehefrau und Erblasserin Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts ein. Ihrer Auffassung nach richtete sich der 1/2–Erbteil der als Erbin weggefallenen Tochter nicht mehr nach dem gemeinschaftlichen Testament.

Vielmehr konnte, so die Beschwerdeführerin, die Ehefrau über diesen Erbteil frei verfügen, so dass die den Erbschein beantragende Tochter auch nur zu ½ Erbin geworden sei.

Dieser Auffassung wollte sich das Oberlandesgericht allerdings nicht anschließen und wies die Beschwerde kostenpflichtig zurück.

Dabei wies das Gericht in seiner Entscheidung zunächst darauf hin, dass der Erbteil der (wegen der Geltendmachung des Pflichtteils) weggefallenen Mitschlusserbin nach § 2094 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ihrer Schwester angewachsen sei.

Eheleute wollten Verwandtschaft der Ehefrau ausschließen

Diese Rechtsfolge sei, so das Gericht, schon allein deswegen nahe liegend, da die Eheleute in ihrem gemeinschaftlichen Testament durch die Benennung der beiden Kinder nur des Ehemannes explizit die Verwandtschaft der Ehefrau von der Erbfolge ausschließen wollten.

Die Rechtsfolge der Anwachsung nach § 2094 BGB bei Wegfall eines von mehreren Schlusserben entspreche in aller Regel dem Willen der Erblasser, wenn nicht ausdrücklich eine Ersatzschlusserbenbestimmung vorgenommen worden sei.

Gleichzeitig stellte das Gericht fest, dass die Ehefrau an die Benennung ihrer beiden Stiefkinder als Schlusserben (auch ihres eigenen Vermögens) aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments aus dem Jahr 1977 gebunden war, § 2270 BGB.

Diese Bindung beziehe sich auch auf die Pflichtteilsklausel und habe zur Folge, dass die in dem gemeinschaftlichen Testament enthaltene Erbfolgeregelung selbst dann für die Stiefmutter bindend sei, wenn eines der Stiefkinder, wie vorliegend geschehen, nach dem Tod des Vaters seinen Pflichtteil geltend macht.

Die Beschwerde wurde demnach zurückgewiesen. Die Erbfolge der Erblasserin richtete sich alleine nach dem gemeinschaftlichen Testament und nicht nach dem zeitlich späteren von ihr errichteten Erbvertrag oder dem Gesetz.

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