Verfügung unter Lebenden zugunsten Dritter auf den Todesfall kann vom Erblasser durch ein Testament widerrufen werden

Von: Dr. Georg Weißenfels

BGH – Urteil vom 30.01.2018 – X ZR 119/15

  • Erblasserin wendet durch Vertrag zugunsten Dritter zu Lebzeiten ein Wertpapierdepot zu
  • In einem späteren Testament vermacht die Erblasserin ihr gesamtes Vermögen an mehrere Erben
  • Gerichte sehen in dem Testament einen Widerruf des Vertrages zugunsten Dritter

Der Bundesgerichtshof hatte in dritter und letzter Instanz über das Schicksal eines Wertpapierdepots in Höhe eines sechsstelligen Eurobetrages zu entscheiden.

Die Konfliktparteien in der Angelegenheit waren auf der einen Seite die Erben und auf der der Begünstigte einer Schenkung auf den Todesfall.

Die spätere Erblasserin hatte mit ihrer Bank im Jahr 1976 eine schriftliche Vereinbarung geschlossen, wonach nach ihrem Tod Wertpapiere, die die Bank für die spätere Erblasserin verwahrte, zunächst auf die Bank übergehen sollten.

Weiter regelte die Vereinbarung zwischen der Erblasserin und der Bank, dass der spätere Beklagte nach dem Erbfall das Recht haben solle, von der Bank die Übertragung der Wertpapiere an sich zu fordern. In diesem Zusammenhang sollte die Bank dem späteren Beklagten ein Schenkungsangebot der späteren Erblasserin übermitteln, das der spätere Beklagte stillschweigend annehmen konnte.

Erblasserin behält sich Widerrufsrecht vor

Die spätere Erblasserin behielt sich in der Vereinbarung aber das Recht vor, die Vereinbarung jederzeit durch einseitige schriftliche Erklärung zu widerrufen.

Der spätere Beklagte sollte von der Vereinbarung bis zum Tod der Erblasserin nichts erfahren.

Jahre später setzte die Erblasserin mit Testament vom 19.04.2007 die späteren Kläger als Erben ein. In dem Testament verteilte die Erblasserin ihr komplettes Vermögen. Den mit der Vereinbarung aus dem Jahr 1976 Begünstigten erwähnte die Erblasserin in ihrem Testament nicht.

In der Folge verstarb die Erblasserin. Zwei Jahre nach der Testamentseröffnung, am 27.05.2011, informierte die Bank den späteren Beklagten von der Vereinbarung aus dem Jahr 1976 und übertrug in der Folge das komplette Wertpapierdepot an den späteren Beklagten.

Erben widerrufen die Verfügung der Erblasserin

Am 11.07.2011 widerriefen die Erben und späteren Kläger die Verfügung der Erblasserin und forderten den späteren Beklagten auf, die Wertpapiere herauszugeben. Dieser weigerte sich, der Forderung der Erben nachzukommen. Die Angelegenheit ging zu Gericht.

Landgericht und Oberlandesgericht verurteilten den Beklagten zur Herausgabe noch vorhandener Wertpapiere und zur Erstattung des Kaufpreises bereits veräußerter Wertpapiere in Höhe eines Betrages von 270.630,16 Euro.

BGH weist Revision als unbegründet ab

Der Beklagte legte gegen das Berufungsurteil des OLG Revision zum Bundesgerichtshof ein. Dort unterlag der Beklagte aber ebenfalls. Die Revision wurde vom BGH auf Kosten des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen.

Der BGH begründete seine Entscheidung im Ergebnis mit der Erwägung, dass zwischen der Erblasserin und dem Beklagten kein wirksamer Schenkungsvertrag zustande gekommen sei und der Beklagte aus diesem Grund die Wertpapiere nicht behalten dürfe.

Grundsätzlich könne zwar bei einem Vertrag zugunsten Dritter, wie er von der Erblasserin mit der Bank im Jahr 1976 geschlossen wurde, auch nach dem Eintritt des Erbfalls mit Hilfe der Bank ein wirksamer Schenkungsvertrag zwischen der schenkenden Erblasserin und einem Schenkungsempfänger zustande kommen.

Erblasserin selber widerruft ihr Schenkungsangebot durch das Testament

Im zu entscheidenden Fall habe aber im Zeitpunkt der Benachrichtigung des Beklagten durch die Bank gar kein wirksames Angebot auf Abschluss eines Schenkungsvertrages mehr existiert. Die Erblasserin habe ihr Schenkungsversprechen vielmehr mit Errichtung ihres Testaments im Jahr 2007 wirksam widerrufen.

Ein einmal gemachtes Schenkungsangebot könne auch, so der BGH, durch ein Testament widerrufen werden.

Die Erblasserin habe in ihrem Testament über ihr komplettes Vermögen – unter Einschluss des fraglichen Wertpapierdepots – verfügt.

Darin sei ein stillschweigender Widerruf des Schenkungsangebotes zu sehen.

Auch der Umstand, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments an das Wertpapierdepot gar nicht dachte, stehe einem Widerruf nicht entgegen.

Weiter habe der Beklagte bereits im Jahr 2009 und damit vor der Benachrichtigung durch die Bank im Jahr 2011 von dem Inhalt des Testamentes – und damit von dem stillschweigenden Widerruf des Schenkungsangebotes – erfahren.

Im Ergebnis hatte der Beklagte danach das Wertpapierdepot an die Erben herauszugeben.

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