Ein Abkömmling kümmert sich besonders um den Erblasser – Der Erbe bekommt mehr von der Erbschaft

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Pflegt ein Abkömmling den Erblasser, bekommt er unter Umständen mehr von der Erbschaft
  • Die Pflege muss von einer bestimmten Dauer gewesen und mit einer bestimmten Intensität erfolgt sein
  • Gerichte treffen im Streitfall eine Billigkeitsentscheidung

Bei der Regelung der Erbfolge nach dem Tod des Erblassers gibt es eine zentrale Weichenstellung.

Hat der Erblasser ein Testament oder einen Erbvertrag hinterlassen, dann gelten für seine Erbfolge die Anordnungen in diesem letzten Willen. Die genaue Verteilung der Erbschaft und die Zuordnung einzelner Nachlassgegenstände kann in aller Regel dem Testament bzw. dem Erbvertrag entnommen werden.

Existiert hingegen kein letzter Wille, dann springt das Gesetz ein und regelt die Erbfolge. Hierbei gilt der Grundsatz, dass näher mit dem Erblasser Verwandte und der Ehepartner vor weiter mit dem Erblasser verwandten Personen als Erben zum Zuge kommen.

Erben werden hierzu vom Gesetz in verschiedene „Ordnungen“ eingeteilt. So sind z.B. die am nächsten mit dem Erblasser verwandten Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel) so genannte Erben erster Ordnung, § 1924 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Eine wichtige Grundregel der gesetzlichen Erbfolge besagt, dass gesetzliche Erben, die im Verhältnis zum Erblasser auf gleicher Stufe stehen, auch zu gleichen Teilen erben. Für mehrere Kinder eines Erblassers, der kein Testament hinterlassen hat, ist dies zum Beispiel in § 1924 Abs. 4 BGB ausdrücklich angeordnet.

Erbteile können sich verschieben

Es gibt jedoch keine Regel ohne Ausnahme. So kann die in den §§ 2050 ff. BGB geregelte so genannte Ausgleichungspflicht beispielsweise dafür sorgen, dass dem Grunde nach gleichberechtigte Kinder des Erblassers nach Verteilung des Nachlasses mit durchaus sehr unterschiedlichen Beträgen nach Hause gehen.

Diese gesetzlich angeordnete Ausgleichungspflicht unter Abkömmlingen beruht auf zweierlei Erwägungen:

Derjenige Erbe, der bereits zu Lebzeiten mehr als die anderen Miterben erhalten hat, soll im Erbfall mehr bekommen. Hierzu regelt § 2050 BGB die Ausgleichspflicht von „Ausstattungen“, „Zuschüssen“ und „anderen Zuwendungen“.

Weiter sieht § 2057a BGB vor, dass derjenige Erbe, der dem Erblasser zu dessen Lebzeiten besondere finanzielle oder sonstige Leistungen hat zukommen lassen, im Erbfall begünstigt werden soll. Diese besonderen Leistungen sind im Erbfall auszugleichen.

Ausgleichungsvorschriften gelten nur für Abkömmlinge

Die gesetzlichen Ausgleichungsvorschriften greifen nur unter Abkömmlingen (Kinder, Enkel, Urenkel) des Erblassers ein. Auf Tanten, Brüder, sonstige Verwandte oder auch den Ehepartner, der vom Erblasser zu Lebzeiten Leistungen erhalten hat oder der sich in besonderer Weise um den Erblasser gekümmert, sind die Ausgleichungsvorschriften nach §§ 2050 ff. BGB nicht anwendbar.

Dasjenige, was in finanzieller Hinsicht zu Lebzeiten des Erblassers zwischen diesem und der Tante, dem Bruder oder einem sonstigen Verwandten, der nicht Abkömmling ist, abgewickelt wurde, bleibt im Zusammenhang mit den Ausgleichsvorschriften der §§ 2050 ff. BGB bei der Verteilung der Erbschaft unberücksichtigt.

Eine Ausgleichung nach den §§ 2050 ff. BGB findet auch nur dann statt, wenn es mehrere Abkömmlinge gibt. Bei einer Erbschaft mit nur einem Kind als gesetzlichem Erben kann keine Ausgleichung stattfinden.

Ausgleichungsvorschriften gelten grundsätzlich nur für die gesetzliche Erbfolge

Eine weitere deutliche Einschränkung erfahren die Ausgleichungsvorschriften durch den Grundsatz, dass sie grundsätzlich nur für den Fall der gesetzlichen Erbfolge gelten.

Hat der Erblasser seine Erbfolge demnach durch Testament oder Erbvertrag geregelt, sind die Ausgleichungsvorschriften der §§ 2050 ff. BGB dem Grunde nach nicht anwendbar.

Von diesem Grundsatz macht § 2052 BGB wiederum eine Ausnahme: Hat der Erblasser ein Testament hinterlassen und seine Abkömmlinge in diesem Testament auf genau die Erbteile eingesetzt, die den Abkömmlingen auch als gesetzliche Erben zustehen würden, dann sind die Ausgleichungsvorschriften der §§ 2050 ff. BGB „im Zweifel“ auch im Falle der gewillkürten Erbfolge anwendbar.

Ausgleichungspflicht bei besonderen Leistungen eines Abkömmlings

Neben finanziellen Leistungen des Erblassers an einen Abkömmling können auch Leistungen des Abkömmlings an den Erblasser zu einer Ausgleichung und damit zu einer Umverteilung des Nachlasses unter mehreren Abkömmlingen führen.

Grundlegende Voraussetzung für eine Umverteilung ist, dass einer von mehreren Abkömmlingen dem Erblasser zu dessen Lebzeiten besondere Leistungen hat zukommen lassen. Dies können Geldleistungen ebenso wie Pflege- oder sonstige Hilfsleistungen gewesen sein.

Das Gesetz beschreibt die besonderen Leistungen in § 2057a BGB wie folgt:

  • Mitarbeit während längerer Zeit im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers
  • Erhebliche Geldleistungen oder in anderer Weise in besonderem Maße dazu beigetragen hat, dass das Vermögen des Erblassers erhalten oder vermehrt wurde.

Liegen diese Voraussetzungen vor, ist unter den Abkömmlingen grundsätzlich eine Ausgleichung durchzuführen. Dies gilt nur dann nicht, wenn für die vom Abkömmling an den Erblasser gewährten Leistungen ein angemessenes Entgelt (z.B. Leistungen der Pflegeversicherung werden an den Abkömmling ausbezahlt) gewährt wurde, § 2057a Abs. 2 BGB.

Wie wird die Ausgleichung durchgeführt?

Die Durchführung der Ausgleichung wegen besonderer Leistungen eines Abkömmlings vollzieht sich in zwei Schritten.

Zunächst ist ein Gegenwert für die Leistungen zu bestimmen, die der Abkömmling dem Erblasser zu dessen Lebzeiten hat zukommen lassen, § 2057a Abs. 3 BGB.

Dieser soll nach dem Gesetzeswortlaut so bemessen werden, dass er „mit Rücksicht auf die Dauer und den Umfang der Leistungen und auf den Wert des Nachlasses der Billigkeit entspricht.“

Es liegt auf der Hand, dass eine solche Bestimmung des Ausgleichsbetrages nach Billigkeitsgesichtspunkten in der Regel zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen des Wertes der Leistung durch den ausgleichsberechtigen und den ausgleichspflichtigen Abkömmling führt.

Gerichte werten hier im Streitfall insbesondere Dauer und Intensität der Leistungen und in welchem Umfang dem Erben Opfer auferlegt wurden. Ebenfalls ist im Einzelfall entscheidend, in welchem Umfang der ausgleichsberechtigte Abkömmling zur Mehrung des Nachlasses beigetragen hat.

Ist der Ausgleichsbetrag erst einmal festgezurrt, dann ist nach § 2057a Abs. 4 BGB die konkrete Ausgleichung im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbschaft durchzuführen. Der festgestellte Ausgleichungsbetrag wird dabei zunächst von dem Betrag abgezogen, der dem Erbteil aller Abkömmlinge entspricht. Die so ermittelte Zwischensumme wird entsprechend den Erbquoten auf die Abkömmlinge verteilt.

In einem letzten Schritt wird der abgezogene Ausgleichungsbetrag dem Erbteil des ausgleichungsberechtigten Abkömmlings wieder zugeschlagen.

Wenn Sie in Ihrer Angelegenheit anwaltliche Hilfe benötigen, dann können Sie hier spezialisierte Rechtsanwälte finden.

Das könnte Sie auch interessieren:
Die Ausgleichungspflicht unter mehreren Miterben - Kinder, Enkel und Urenkel müssen lebzeitige Zuwendungen untereinander ausgleichen
Die Ausgleichungspflicht unter Abkömmlingen - Was sind Ausstattungen, Zuschüsse und Aufwendungen?
Berechnung der Ausgleichung unter Abkömmlingen bei ausgleichspflichtigen Vorempfängen
Über 1.000 aktuelle Entscheidungen der Gerichte zum Erbrecht

Erbrecht