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Erbengemeinschaft sieht den Nachlass in Gefahr – Kann vom Gericht ein Nachlasspfleger eingesetzt werden?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Schleswig – Beschluss vom 06.06.2014 – 3 Wx 27/14

  • Nach dem Erbfall sind nicht alle Erben bekannt
  • Von den bereits gefundenen Erben wird beim Nachlassgericht eine Nachlasspflegschaft beantragt
  • Das Gericht lehnt die Einsetzung eines Nachlasspflegers ab

Das Oberlandesgericht Schleswig hatte über einen recht typischen Erbfall zu urteilen, bei dem eine aus mehreren Erben bestehende Erbengemeinschaft mit der Verwaltung des Nachlasses zu kämpfen hatte.

In der Angelegenheit war die Erblasserin im Jahr 2012 unverheiratet und kinderlos verstorben. Ein Testament wurde nicht aufgefunden, sodass die Erblasserin nach der gesetzlichen Erbfolge beerbt wurde.

Ende 2012 versuchten die ersten Verwandten Ordnung in die Erbsache zu bringen und die Abwicklung der Nachlasssache voranzutreiben. So meldete sich im November 2012 eine Beteiligte beim Nachlassgericht und teilte mit, dass es sich bei der Erblasserin um ihre Cousine gehandelt habe. Gleichzeitig teilte diese Beteiligte dem Gericht mit, dass zum Nachlass ein Hausgrundstück gehöre.

Erbenermittler ermittelt bisher unbekannte Erben

Eine weitere Cousine der Erblasserin ließ das Nachlassgericht wissen, dass von ihr eine professionelle Erben-Ermittlung GmbH beauftragt worden sei, um sämtliche gesetzliche Erben zu ermitteln.

In der Folge meldeten sich weitere Cousinen und Cousins der Erblasserin beim Nachlassgericht.

Auch das Finanzamt war nicht inaktiv und teilte dem Gericht mit, dass die Erblasserin nach Aktenlage über ein Bankguthaben in Höhe von 217.637 Euro verfügte.

Alsbald fragte eine der beteiligten Erbinnen beim Nachlassgericht an, ob bereits eine Nachlasspflegschaft eingerichtet sei. Diese Frage wurde vom Nachlassgericht mit dem Hinweis verneint, dass ja zumindest eine Erbin der Erblasserin bekannt sei.

Antrag auf Einrichtung einer Nachlasspflegschaft

Im Oktober 2013 beantragte dieselbe Erbin dann beim Nachlassgericht offiziell die Einrichtung der Nachlasspflegschaft zum Zweck der Erbenermittlung und der Sicherung des Nachlasses.

Sie führte zur Begründung dieses Antrages aus, dass die genaue Zusammensetzung der Erbengemeinschaft unbekannt sei, die von einer Miterbin eingeschaltete Erben-Ermittlungs GmbH ein Honorar in Höhe von 33% des Nachlasswertes verlange und deren Aufgabe von einem Nachlasspfleger bekanntermaßen günstiger erbracht würde.

Das Nachlassgericht blieb aber bei seiner ablehnenden Haltung und teilte der Antragstellerin mit, dass kein Bedürfnis für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft bestehe, da die gesetzlichen Erben ja zumindest zum Teil bekannt seien.

In der Folge meldete sich dann eine Anwältin, die von der Erben-Ermittlungs GmbH beauftragt worden war und drei weitere potentielle Miterben vertrat, beim Nachlassgericht. Auch die Anwältin beantragte bei Gericht, einen Nachlasspfleger zu bestellen. Dies sei insbesondere deswegen notwendig, um die zum Nachlass gehörende Immobilie abzusichern.

Die Anwältin teilte mit, dass bereits wiederholt versucht worden sei, in das zum Nachlass gehörende Haus einzubrechen. Fenster seien eingeschmissen worden und von unbekannter Seite sei sogar versucht worden, das Haus in Brand zu setzen.

10 gesetzliche Erben sind ermittelt

Weiter wies die Anwältin darauf hin, dass die Erbengemeinschaft sich noch nicht konstituiert habe und entsprechend auch nicht über das zum Nachlass gehörende Bankvermögen der Erblasserin verfügen könne. Die Anwältin legte dem Gericht aber auch eine Stammtafel vor, aus der sich insgesamt 10 gesetzliche Erben ergaben.

In der Folge wurde das Nachlassgericht davon in Kenntnis gesetzt, dass die Mitglieder der Erbengemeinschaft untereinander sehr misstrauisch seien und auch dies der Handlungsfähigkeit der Erben entgegenstehe.

Mit Beschluss vom 02.04.2014 lehnte das Nachlassgericht die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft offiziell ab. Die Voraussetzungen für die Einsetzung eines Nachlasspflegers würden, so das Nachlassgericht, nicht vorliegen. Die Erben seien im vorliegenden Fall bekannt. Die Erben könnten für die Sicherung des Nachlasses sorgen.

Gegen diesen Beschluss wurde von Seiten der Erben Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde wurde unter anderem damit begründet, dass es in der Nachlassimmobilie mittlerweile einen Wassereinbruch gegeben habe und das Gebäude einsturzgefährdet sei. Die Immobilie sei massiv von Schimmel bedroht und das Gebäude stehe unter Strom. Die Erben könnten aus tatsächlichen Gründen nicht für die Sicherung des Gebäudes sorgen.

OLG weist die Beschwerde als unbegründet zurück

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts wurde vom Oberlandesgericht als unbegründet zurückgewiesen.

Das OLG teilte in der Begründung seiner Entscheidung mit, dass das Nachlassgericht zu Recht davon ausgegangen sei, dass die Erben im vorliegenden Fall nicht unbekannt seien.

Ein Erbe sei dann nicht unbekannt, wenn jedenfalls eine hohe Wahrscheinlichkeit für seine Erbenstellung spricht. Dies sei im zu entscheidenden Fall anzunehmen. Andere als die bisher schon ermittelten gesetzlichen Erben kämen, so das OLG, als Rechtsnachfolger der Erblasserin nicht in Betracht.

Alleine der Umstand, dass die aus mehreren Personen bestehende Erbengemeinschaft offenbar de facto nicht in der Lage war, sich um den Nachlass zu kümmern, rechtfertige noch nicht die Anordnung einer Nachlasspflegschaft.

Das OLG verwies die Erben auf das Recht eines jeden Miterben, dringende nachlassbezogene Notmaßnahmen nötigenfalls auch alleine in Auftrag geben zu können. Ebenfalls könnten Verwaltungsmaßnahmen mit Stimmenmehrheit der Erben beschlossen werden.

Alleine die vom OLG sehr wohl gesehenen Kommunikationsprobleme der Erben untereinander würden nicht dazu führen, dass vom Gericht ein Nachlasspfleger eingesetzt würde.

Im Ergebnis mussten sich die Erben also ohne staatliche Unterstützung um den Nachlass kümmern.

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