Ein Erbe nimmt den Nachlass in Besitz - Wie kommen weitere Erben an Informationen?

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Man kann unter Umständen auch von einem Miterben Auskunft über den Nachlass verlangen
  • Soweit sich ein Miterbe wie ein Alleinerbe benimmt, muss er den Miterben Auskunft erteilen
  • Der Auskunftsanspruch ist umfassend

Hat der Erblasser mehr als nur einen Erben hinterlassen, dann sind die den einzelnen Erben zur Verfügung stehenden Informationen oft sehr ungleich verteilt.

Während der eine Erbe bis zum Eintritt des Erblassers in einem Hausstand zusammen gelebt hat und vor diesem Hintergrund einen unmittelbaren Bezug zum Nachlass hat, hat der andere Erbe gegebenenfalls seit Jahren keinen Kontakt mehr zum Erblasser gehabt und hat von der konkreten Zusammensetzung der Erbschaft alleine aufgrund räumlicher Entfernung allenfalls eine vage Vorstellung.

Um seine Rechte als Erbe wahrnehmen und am Ende auch durchsetzen zu können, braucht man aber zwingend Kenntnis von den einzelnen zum Nachlass gehörenden Gegenständen. Hat der Erblasser ein Testament hinterlassen, dann kann der Erbe zuweilen nach erfolgter Testamentseröffnung bereits diesem Dokument Hinweise auf Vermögenswerte entnehmen, die offenbar zum Nachlass gehören.

Hat sich der Erblasser in seinem Testament aber bedeckt gehalten und sich in seinem letzten Willen darauf beschränkt, lediglich seine Erben zu benennen und hat er Einzelheiten zum Nachlass in seinem Testament mit keinem Wort erwähnt, dann steht der Erbe nach Eintritt des Erbfalls was die Frage der Zugehörigkeit einzelner Gegenstände zum Nachlass betrifft oft vor einem großen Fragezeichen.

Dies gilt natürlich umso mehr, wenn der Erblasser erst gar kein Testament hinterlassen hat und die Verteilung seines Nachlasses der gesetzlichen Erbfolge überlassen hat.

Erben haben gleiche Rechte

Dem Grunde nach geht das Gesetz davon aus, dass mehrere Erben gleiche Rechte haben. Dieser Grundsatz gilt auch unabhängig von der Frage, mit welcher Erbquote die einzelnen Erben am Nachlass beteiligt sind. Eine Erbe, dem nur 10% der Erbschaft zustehen, hat also, was seine Beteiligungsrechte angeht, die gleichen Rechte wie der Erbe, an den am Ende 90% des Nachlasses gehen sollen.

Ein 90%-Erbe erhält im Rahmen der Nachlassauseinandersetzung zwar mehr von dem Erblasservermögen, als der 10%-Erbe, die Informations- und Teilhaberechte beider Erben sind jedoch im Zuge der Nachlassverwaltung- und auseinandersetzung in den Grundsätzen dieselben.

Erbe hat Auskunftsanspruch

Daher kann ein Erbe von demjenigen Miterben, der nach dem Ableben des Erblassers in Besitz der einzelnen Erbschaftsgegenstände ist, nach § 2027 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) Auskunft über den genauen Bestand der Erbschaft verlangen.

Derjenige Erbe, der die Erbschaft nach Eintritt des Erbfalls in seinen Besitz genommen hat, ist also seinen Miterben, die keinen unmittelbaren Zugriff auf die Erbschaft haben, gegenüber verpflichtet, zu offenbaren, worin im einzelnen die Erbschaft besteht.

Nach § 2027 Abs. 1 BGB gilt folgendes:

Der Erbschaftsbesitzer ist verpflichtet, dem Erben über den Bestand der Erbschaft und über den Verbleib der Erbschaftsgegenstände Auskunft zu erteilen.

Problematisch kann im Zusammenhang mit § 2027 BGB zuweilen sein, ob der Miterbe, der auf Auskunft in Anspruch genommen werden soll, überhaupt "Erbschaftsbesitzer" im Sinne dieser Norm ist. Ein Miterbe wird aber jedenfalls dann "Erbschaftsbesitzer" im Sinne von § 2027 BGB, wenn er die Rechte der anderen Miterben negiert und sich benimmt wie ein Alleinerbe.

Dieser Auskunftsanspruch des Miterben ist, wie oben bereits erwähnt, vollkommen unabhängig von der Frage, mit welchem Anteil der die Auskunft begehrende Erbe an dem Nachlass beteiligt ist. Anspruchsvoraussetzung ist lediglich, dass derjenige Erbe, von dem die Auskunft begehrt wird, grundsätzlich in Besitz der Erbschaft ist.

Inhalt des Auskunftsanspruchs

Der Auskunftsanspruch gegen den Erbschaftsbesitzer und Miterben ist dabei sehr weit reichend. Der Miterbe als unmittelbarer Besitzer der Erbschaft muss seinem Miterben auf dessen Verlangen hin eine übersichtliche Aufstellung aller zum Nachlass gehörenden Gegenstände und Forderungen zur Verfügung stellen.

Sollte der Miterbe und Erbschaftsbesitzer nach Eintritt des Erbfalls mit Mitteln aus der Erbschaft bereits Rechtsgeschäfte getätigt und beispielsweise etwas erworben haben, so erstreckt sich seine Auskunftspflicht auch auf solche so genannten Surrogate.

Das gleiche gilt für so genannte Nutzungen und Früchte, die der Erbschaftsbesitzer und Miterbe nach Eintritt des Erbfalls aus der Erbschaft schon gezogen hat. Zinsen auf Bankguthaben, die sich im Nachlass befanden, sind demnach ebenso anzugeben wie beispielsweise Mieteinnahmen, die der Miterbe und Erbschaftsbesitzer aus einer Nachlassimmobilie erzielt hat.

Ebenso besteht für den Miterbe und Erbschaftsbesitzer eine Offenbarungspflicht hinsichtlich solcher Gegenstände, die nach seinen Angaben nicht mehr existieren oder verschwunden sind.

Hat der die Auskunft begehrende Miterbe hier Anhaltspunkte für Handlungen des Erbschaftsbesitzers, die mit der Rechts- und Eigentumsordnung möglicherweise nicht recht in Deckung zu bringen sind, so sollte er in jedem Fall darauf bestehen, vom Erbschaftsbesitzer zu diesem Punkt eine Aussage zu erhalten.

Wie kann Druck auf den Erbschaftsbesitzer ausgeübt werden?

Der auskunftspflichtige Miterbe und Erbschaftsbesitzer ist durchaus gut beraten, im Rahmen der von ihm zuerteilenden Auskunft nicht mit gezinkten Karten zu spielen und seiner Auskunftspflicht vollumfänglich und wahrheitsgetreu nachzukommen.

Besteht für den die Auskunft begehrenden Miterben nämlich Grund zu der Annahme, dass das Verzeichnis von seinem Miterben nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist, so hat der zur Auskunft Verpflichtete auf Verlangen des Miterben an Eides statt zu versichern, dass er die Auskunft nach bestem Wissen und vollständig angegeben hat, § 260 Abs. 2 BGB.

Pokert der Erbschaftsbesitzer auch in diesem Punkt und gibt er vorsätzlich eine nachweisbar falsche eidesstattliche Versicherung ab, dann muss er sich gegebenenfalls mit der Strafvorschrift des § 156 StGB (Strafgesetzbuch) und einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren auseinander setzen.

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