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Die konkludente Annahme einer Erbschaft – Ausschlagungsfrist kann sich drastisch verkürzen!

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Erbschaft kann ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln (konkludent) angenommen werden
  • Nach Annahme der Erbschaft ist keine Ausschlagung mehr möglich
  • Mit Beantragung eines Erbscheins wird die Erbschaft jedenfalls konkludent angenommen

Ist ein Erbfall eingetreten, dann wird der Erblasser nach deutschem Recht in jedem Fall von einem Erben als Rechtsnachfolger beerbt. Es gibt in Deutschland keinen Nachlass, der am Ende ohne Erbe bleibt.

Zu einer Erbschaft kommt man entweder über eine Erbeinsetzung in einem Testament oder Erbvertrag oder, soweit der Erblasser keinen letzten Willen hinterlassen hat, durch die gesetzlichen Regelungen in §§ 1924 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Als Erbe wird man nach der gesetzlichen Regelung in § 1922 BGB Rechtsnachfolger des Erblassers. Man erbt das komplette Vermögen des Verstorbenen, im Guten (Bankguthaben) wie im Schlechten (Schulden).

Ausschlagung der Erbschaft bei überschuldetem Nachlass

Überwiegen die Schulden, die der Erblasser hinterlassen hat, sein positives Vermögen, dann wird der Erbe die Erbschaft in aller Regel ausschlagen. Die Ausschlagung einer Erbschaft ist grundsätzlich binnen einer Frist von sechs Wochen, gerechnet ab dem Zeitpunkt, an dem man von der Erbschaft erfahren hat, möglich, § 1944 BGB.

Diese im Gesetz als Überlegensfrist für den Erben vorgesehene sechswöchige Frist kann allerdings unter Umständen dramatisch zusammenschmelzen. Wenn der Erbe nicht aufpasst, dann kann die Frist zur Ausschlagung der Erbschaft nämlich bereits am ersten Tag nach Eintritt des Erbfalls abgelaufen sein.

Ausschlagung der Erbschaft nach erfolgter Annahme der Erbschaft nicht mehr möglich

Diese für den Erben im Zweifel sehr unangenehme Verkürzung der Ausschlagungsfrist hängt mit der gesetzlichen Regelung in § 1943 BGB zusammen. Danach kann man die Erbschaft nämlich nicht mehr ausschlagen, wenn man sie bereits angenommen hat.

Und tatsächlich kann man den Tatbestand der Annahme einer Erbschaft schneller verwirklichen, als man es vermuten würde.

Die Annahme einer Erbschaft kann nämlich vom Erben nicht nur durch ausdrückliche Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht vorgenommen werden. In der Praxis erfolgt eine solche ausdrückliche Annahme der Erbschaft höchst selten.

Die konkludente Annahme der Erbschaft

Wesentlich häufiger als die ausdrücklich erklärte Annahme einer Erbschaft kommt es nämlich vor, dass eine Erbschaft „konkludent“ angenommen wird. Konkludent bedeutet, dass sich der Erbe so verhält, als würde er die Erbschaft annehmen. Er nimmt tatsächliche Handlungen vor, die man gar nicht anders interpretieren kann, als dass der Erbe die Erbschaft annimmt.

Mit anderen Worten: Die Erbschaft kann auch durch „schlüssiges Verhalten“ des Erben angenommen werden.

Gefährlich an einer solchen konkludenten Annahme einer Erbschaft sind drei Aspekte:

Der konkludent annehmende Erbe weiß in aller Regel nichts von seinem Glück, er ist sich der Rechtswirkung seiner Handlung allzu oft nicht bewusst. Weiter gibt es keinen im Gesetz festgeschriebenen Kanon von Fällen, wann denn eine konkludente Annahme einer Erbschaft anzunehmen ist. Die Gerichte entscheiden hier im Streitfall unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles höchst individuell … und in Grenzfällen kaum kalkulierbar.

Und schließlich entfaltet eine „nur“ konkludente Annahme einer Erbschaft haargenau die gleichen Rechtsfolgen wie eine vom Erben ausdrücklich erklärte Annahme. Das Gesetz unterscheidet in § 1943 BGB nicht zwischen einer konkludent und einer ausdrücklich erklärten Annahme.

Wann wird eine Erbschaft „konkludent“ angenommen?

Von den Gerichten sind bereits diverse Handlungen von potentiellen Erben dahingehend untersucht worden, ob man in diesen Handlungen eine konkludente Annahme einer Erbschaft sehen kann. Entscheidend ist immer, ob ein neutraler Dritter (Wer auch immer das sein mag…) die Handlung nur so interpretieren kann, dass der Betroffene die Erbschaft annimmt und seine Stellung als Erbe auszufüllen bereit ist.

Es gibt in diesem Zusammenhang Rechtshandlungen, die man tatsächlich gar nicht anders verstehen kann, als als die Annahme einer Erbschaft. So wird z.B. die Beantragung eines Erbscheins durch einen Erben immer als Annahmehandlung gewertet werden. Ebenso wird man geschäftliche Aktivitäten des Erben rund um den Nachlass in der Regel als Annahme der Erbschaft werten müssen. So mündet zum Beispiel der Verkauf einzelner Nachlassgegenstände regelmäßig in einer konkludenten Annahme der Erbschaft.

Auf der anderen Seite muss der Erbe nicht befürchten, dass jede Kontaktaufnahme zum Nachlass als konkludente Annahme einer Erbschaft gedeutet werden kann. So wurde zum Beispiel von Gerichten bereits entschieden, dass ein an das Nachlassgericht adressierter Antrag, das Testament zu eröffnen, ebenso wenig eine konkludente Annahme der Erbschaft darstellt wie die rein vorsorgliche Bitte an die Bank des Erblassers, ein zum Nachlass gehörendes Konto des Erblassers zu sperren.

Je enger aber die Verflechtung des potentiellen Erben zum Nachlass wird, desto eher nehmen die Gerichte eine konkludente Annahme der Erbschaft an und verweigern dem Erben dann sein Recht, die Erbschaft ausschlagen zu können.

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