Das Erbrecht und das deutsche Grundgesetz

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Die Verfassung schützt das Erbrecht
  • Der Gesetzgeber darf das Erbrecht ausgestalten
  • Das Erbrecht darf vom Staat nicht ausgehöhlt werden

Nach Art. 14 Abs. 1 GG (Grundgesetz) werden Eigentum und Erbrecht gewährleistet.

Durch die Aufnahme des Erbrechts in die Verfassung ist das Erbrecht zum einen als so genannte institutionelle Garantie geschützt.

Das Erbrecht ist mithin als Wertentscheidung der Verfassung von allen staatlichen Institutionen, der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rechtsprechung zu akzeptieren. Eine Abschaffung des Erbrechts und des Rechts eines jeden Bürgers, sein Vermögen zu vererben, durch den deutschen Bundestag wäre demnach mit der Verfassung nicht in Einklang zu bringen und unzulässig.

Neben der institutionellen Garantie des Erbrechts in Art. 14 Abs. 1 GG resultiert aus der Verfassung aber auch ein subjektives und gegen den Staat gerichtetes Recht jedes einzelnen Bürgers, sein Erbrecht wahrnehmen zu können.

Testierfreiheit und Vermögensnachfolge wird vom Grundgesetz garantiert

Dabei ist von diesem individuellen Recht sowohl die Testierfreiheit des Bürgers geschützt, also das Recht eines jeden einzelnen, sein Vermögen durch Erbfolge auf diejenige Person übertragen zu können, die dem Erblasser genehm ist.

Art. 14 Abs. 1 GG stellt aber auf der anderen Seite auch das Recht des Erben sicher, das ihm vererbte Vermögen tatsächlich auch erlangen und behalten zu dürfen.

Schließlich hat das Bundesverfassungsgericht aus Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Schutz von Familie und Ehe in Art. 6 GG auch das so genannte Familienerbrecht entwickelt. Die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG umfasse, so das höchste deutsche Gericht, auch eine „grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass“ (BVerfGE, Beschluss vom 19. 4. 2005 - 1 BvR 1644/00).

Pflichtteil unterliegt dem Schutz der Verfassung

Damit unterliegt auch das Pflichtteilsrecht in den §§ 2303 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) dem Schutz der Verfassung.

Das Verfassungsgericht hat sich hier ausdrücklich für eine „bedarfsunabhängige“ Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers ausgesprochen. Das Pflichtteilsrecht ist demnach in Deutschland – Stand heute – unabhängig von der Frage zu gewähren, ob das pflichtteilsberechtigte Kind wirtschaftlich überhaupt auf diese Beteiligung am Erblasservermögen angewiesen ist.

Träger des Grundrechts auf Erbrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG sind sowohl der Erblasser als auch der Erbe.

Eingriffe in das Grundrecht durch den Staat sind zulässig

Nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG werden Inhalt und Schranken des Erbrechts durch das Gesetz bestimmt. Das Erbrecht kann mithin, wie in den §§ 1922 ff. BGB geschehen, vom Gesetzgeber ausgestaltet werden.

Danach kann der Gesetzgeber zum Beispiel festlegen, welche Vermögenspositionen überhaupt vererbt werden können. Wenn der Gesetzgeber zum Beispiel bestimmt, dass Schusswaffen, die der Erblasser legal in seinem Besitz hatte, nicht oder nur eingeschränkt durch Erbfolge auf einen Erben weitergegeben werden dürfen, dann handelt es sich hierbei um grundsätzlich zulässige Schrankenbestimmungen nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.

Eine weitere, wesentlich gravierendere, Einschränkung des Erbrechts ist die Besteuerung des Erbvorgangs nach den Bestimmungen des ErbStG (Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz). Auch diese Einschränkung des Erbrechts ist jedoch grundsätzlich von der Verfassung abgedeckt.

Dabei darf der Gesetzgeber das Erbrecht durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen nicht aushöhlen. Die Grenzen für staatliche Aktivitäten setzt immer der vom Staat zu berücksichtigende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Staat darf nicht übermäßig in das Erbrecht eingreifen. Die vom Staat angeordnete Beschränkung des Erbrechts muss in jedem Fall geeignet, überhaupt erforderlich und angemessen sein.

Dabei billigt das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber im Bezug auf die Besteuerung von Erbschaften grundsätzlich eine weite Gestaltungsbefugnis zu. „Der Spielraum für den steuerlichen Zugriff auf den Erwerb von Todes wegen findet seine Grenze dort, wo die Steuerpflicht den Erwerber übermäßig belastet und die ihm zugewachsenen Vermögenswerte grundlegend beeinträchtigt“ (BVerfG, Beschluss vom 22.6.1995, 2 BvR 552/91).

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