Grundbuchänderung bei Vor- und Nacherbschaft – Muss für unbekannte Nacherben ein Pfleger und das Vormundschaftsgericht zustimmen?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Beschluss vom 05.01.2017 – 34 Wx 324/16

  • Erblasserin ordnet in ihrem Testament eine bedingte Nacherbschaft an
  • Vorerbe will Grundstück an seine Ehefrau übertragen
  • Grundbuchamt fordert die Einwilligung eines Ergänzungspflegers

In einer grundbuchrechtlichen Angelegenheit hatte das Oberlandesgericht München eine komplexe von der Erblasserin angeordnete Vor- und Nacherbschaft zu entwirren.

Die Erblasserin war Eigentümerin von Immobilien. Sie hatte am 23.01.2007 ein notarielles Testament verfasst.

In diesem hatte die Erblasserin eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet. Alleiniger Vorerbe sollte nach dem Willen der Erblasserin ihr Sohn sein. Zu ihren Nacherben bestimmte die Erblasserin ihre beiden Enkelkinder.

Die Erblasserin beließ es aber nicht bei der bloßen Benennung ihrer Vor- und Nacherben in ihrem Testament. Sie ordnete vielmehr weiter folgendes an:

Zum Nacherben bestimme ich meine beiden Enkelkinder. Falls ein Enkelkind vor Eintritt der Nacherbfolge versterben sollte, treten seine Abkömmlinge nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge an seine Stelle; sind solche nicht vorhanden, tritt Anwachsung an den anderen Nacherben ein.
Dem Vorerben wird das Recht eingeräumt, Änderungen innerhalb des Kreises der Nacherben bzw. Ersatznacherben zu treffen, insbesondere also die Höhe der Erbteile zu verändern, Teilungsanordnungen zu treffen oder einen Nacherben oder Ersatznacherben zum alleinigen Nacherben einzusetzen; alle diese Änderungen kann er jedoch nur im Kreise seiner Abkömmlinge treffen, nicht zugunsten von dritten Personen. Die Änderung kann auch im Wege eines Übergabe- oder Überlassungsvertrages erfolgen. Die Nacherbfolge ist durch die Ausübung dieses Änderungsrechts somit bedingt.

Die Erblasserin verstarb im Jahr 2015. In der Folge wurde der Sohn der Erblasserin als neuer Eigentümer der Immobilien im Grundbuch eingetragen. Gleichzeitig wurde in das Grundbuch ein Hinweis auf die von der Erblasserin angeordnete Nacherbfolge aufgenommen.

Vorerbe überträgt Grundstück auf seine Ehefrau

Im Mai 2016 übertrug der Sohn der Erblasserin mit notarieller Erklärung eine im Nachlass befindliche Immobilie auf seine Ehefrau. Gleichzeitig wurde beantragt, dass für die Immobilie der Nacherbenvermerk gelöscht wird.

Die beiden in dem notariellen Testament als Nacherben benannten Enkel stimmten gegenüber dem Grundbuchamt sowohl der Übertragung der Immobilie vom Vorerben auf dessen Ehefrau als auch der Löschung des Nacherbenvermerkes im Grundbuch zu.

Das Grundbuchamt weigerte sich aber, alleine auf dieser Grundlage die beantragten Änderungen im Grundbuch einzutragen.

Es vertrat vielmehr die Auffassung, dass der Sohn als Vorerbe wegen der ihm testamentarisch eingeräumten Abänderungsbefugnis auch eine Zustimmungserklärung der (bisher) unbekannten Nacherben vorlegen müsse. Diese Zustimmungserklärung sei von einem zu bestimmenden Pfleger zu erklären und bedürfe der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung.

Gegen diese Entscheidung des Grundbuchamtes legte der Sohn der Erblasserin Beschwerde zum Oberlandesgericht ein.

Das OLG gab der Beschwerde statt.

Wann kann ein Nacherbenvermerk gelöscht werden?

In der Begründung seiner Entscheidung wies das OLG darauf hin, dass die Löschung eines Nacherbenvermerkes vor Eintritt des Nacherbfalls entweder die Bewilligung der (aller) Nacherben und etwaiger Ersatznacherben oder den Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit voraussetze.

Eine Löschung aufgrund einer vorliegenden Bewilligung komme nicht in Betracht, so das OLG, da jedenfalls die Bewilligungen der Ersatznacherben fehlen würden.

Allerdings sei der Nacherbenvermerk wegen erwiesener Grundbuchunrichtigkeit zu löschen.

Das Grundbuch sei vorliegend dadurch unrichtig geworden, da das Grundstück mit der Eigentumsübertragung vom Sohn der Erblasserin und Vorerben auf seine Ehefrau aufgrund der Zustimmung der Nacherben aus dem Nachlass ausgeschieden sei.

Zustimmung eines Ergänzungspflegers nicht erforderlich

Die Zustimmung eines Ergänzungspflegers sei für diesen Rechtsübergang vorliegend ebenso wenig erforderlich wie die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts, da weitere Nacherben außer den beiden, die ihre Zustimmung bereits erklärt hätten, nicht in Betracht kämen.

Es sei anerkannt, so das OLG, dass die Anordnung der Nacherbfolge rechtswirksam unter die auflösende (Potestativ-) Bedingung einer anderweitigen letztwilligen Verfügung des Vorerben gestellt werden kann.

Eine Auslegung des notariellen Testaments ergebe, dass die Erblasserin in ihrem Testament die Einsetzung eines jeden Nacherben unter die auflösende Bedingung gestellt habe, dass ihr Sohn als Vorerbe zugunsten des jeweils anderen Nacherben testiert.

Ob diese auflösende Bedingung eintrete, sei bis zum Eintritt des Nacherbfalls nicht gewiss. In jedem Fall sei aber das betroffene Grundstück durch Verfügung unter Lebenden, zu der die Nacherben auch ihre Zustimmung erteilt hätten, aus der Nacherbmasse ausgeschieden.

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