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Krankenkasse verwendet in Gerichtsverfahren ein Gutachten über eine Versicherte, ohne deren Namen unkenntlich zu machen – Erbin der Versicherten klagt auf Geldentschädigung

Von: Dr. Georg Weißenfels

BGH – Urteil vom 29.11.2016 – VI ZR 530/15

  • Krankenversicherung verwendet Gutachten ohne Absprache mit der Betroffenen
  • Erbin der Patientin verlangt Geldentschädigung wegen Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung
  • BGH lehnt den Anspruch in dritter Instanz ab

Der Bundesgerichtshof hatte in dritter Instanz über den Anspruch einer Erbin auf Geldentschädigung wegen unbefugter Nutzung und Weitergabe der Krankengeschichte der Mutter der Erbin zu entscheiden.

Die Mutter der Klägerin war an Krebs erkrankt. Vor dem Sozialgericht nahm die Mutter der Klägerin ihre Krankenversicherung auf Übernahme der Kosten für eine besondere Krebsbehandlung, eine so genannte Hyperthermietherapie, in Anspruch.

Im Rahmen dieses Rechtsstreits vor dem Sozialgericht besorgte sich die Krankenversicherung beim onkologischen Kompetenzzentrum des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nordrhein-Westfalen ein Gutachten über die Sinnhaftigkeit einer solchen Therapie und der Möglichkeit der Leistungsgewährung.

Dieses Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass eine Hyperthermietherapie als experimentell einzuschätzen ist und empfahl der Krankenversicherung, eine Kostenübernahme abzulehnen.

Die Mutter der Klägerin verstarb in der Folge an der Krankheit und wurde von ihrer Tochter alleine beerbt.

Krankenkasse verwendet Gutachten über Patientin auch in anderen Verfahren

In der Folge wurde das für die Krankenversicherung günstige Gutachten, das die Krankengeschichte der Erblasserin im Detail darstellte, ohne deren Einwilligung in drei nicht die Erblasserin betreffenden anderen sozialgerichtlichen Verfahren als Argumentationshilfe vorgelegt. In den in diesen weiteren Verfahren vorgelegten Gutachten waren sogar der Vorname und der Name der Mutter der Klägerin aufgeführt.

Die Tochter der Erblasserin sah in diesem Vorgang eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ihrer Mutter. Sie nahm mit dieser Begründung als Alleinerbin ihrer Mutter die Krankenversicherung auf Geldentschädigung in Höhe von mindestens 5.000 Euro in Anspruch.

Die Klage wurde sowohl vom Land- als auch vom Oberlandesgericht als unbegründet abgewiesen.

Auch die Revision der Klägerin wurde vom Bundesgerichtshof zurückgewiesen.

Anspruch auf Geldentschädigung ist nicht vererblich

In der Begründung seiner Entscheidung verwies der BGH darauf, dass ein Anspruch der Klägerin wegen des unzureichend anonymisierten Gutachtens ihrer Mutter nicht bestehe.

Ein – unterstellter – Anspruch der Mutter auf Geldentschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sei, so der BGH mit Hinweis auf ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2014, nicht vererblich und könne daher nicht von der Tochter als Erbin geltend gemacht werden.

Zu Recht habe das Berufungsgericht darüber hinaus einen (vererblichen) Anspruch der Klägerin nach dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verneint.

§ 7 BDSG sehe zwar, so der BGH, unter bestimmten Umständen grundsätzlich eine Schadensersatzpflicht der verantwortlichen Stelle vor:

Fügt eine verantwortliche Stelle dem Betroffenen durch eine nach diesem Gesetz oder nach anderen Vorschriften über den Datenschutz unzulässige oder unrichtige Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung seiner personenbezogenen Daten einen Schaden zu, ist sie oder ihr Träger dem Betroffenen zum Schadensersatz verpflichtet.

Nach herrschender Ansicht in Literatur und Rechtsprechung, der sich der BGH in seiner Entscheidung anschloss,  gewährt § 7 Satz 1 BDSG allerdings grundsätzlich keinen Anspruch auf Ersatz so genannter immaterieller Schäden.

Der Wortlaut des § 7 Satz 1 BDSG schließe den Ersatz immaterieller Schäden zwar grundsätzlich nicht aus, die Beschränkung auf den Ersatz materieller Schäden ergebe sich aber aus systematischen Gründen.

Auch EU-Recht hilft nicht weiter

Zu einem anderen Ergebnis gelangte der BGH auch nicht durch eine von der Klägerin geltend gemachte EU-richtlinienkonformen Auslegung von § 7 Satz 1 BDSG.

Im zu entscheidenden Fall sei nämlich, so der BGH, der Anwendungsbereich der insoweit einschlägigen Richtlinie 95/46/EG bei der Weitergabe des schriftlichen Gutachtens gar nicht eröffnet und es bleibe für den vorliegenden Fall bei der Auslegung von § 7 Satz 1 BDSG, wonach kein Ersatz immateriellen Schadens verlangt werden könne.

Das von der Krankenversicherung ohne Autorisierung verwendete Gutachten der Mutter der Klägerin erfülle, so der BGH, “mangels der maßgeblichen Struktur weder die Voraussetzungen einer strukturierten Akte noch die des Dateibegriffs in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 95/46/EG“.

Im Ergebnis wurde die Revision der Klägerin daher zurückgewiesen.

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