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Muss man für den Antrag auf ein Europäisches Nachlasszeugnis zwingend das amtliche Formblatt verwenden?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Köln – Beschluss vom 06.02.2018 – 2 Wx 276/17

  • Nachlassgericht besteht auf Verwendung des amtlichen Formblattes
  • Antragsteller verweist auf widersprüchlichen Gesetzestext
  • OLG legt die Frage dem Europäischen Gerichtshof vor

Das Oberlandesgericht Köln hatte zu klären, ob man für die Beantragung eines Europäischen Nachlasszeugnisses zwingend das amtliche Formblatt verwenden muss.

In der Angelegenheit war eine hoch betagte Erblasserin aus Köln verstorben. In ihrem letzten Willen hatte die Erblasserin eine kirchliche Einrichtung in Italien als Erben eingesetzt.

Gleichzeitig hatte die Erblasserin in ihrem Testament die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers angeordnet.

Europäisches Nachlasszeugnis wird ohne Verwendung des Formblattes beantragt

Nachdem sich Teile des Vermögens der Erblasserin im Ausland befanden, beantragte der von der Erblasserin eingesetzte Testamentsvollstrecker beim zuständigen deutschen Nachlassgericht die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses.

Dieser Antrag durch den Testamentsvollstrecker erfolgte aber nicht auf dem amtlichen Formblatt, das in Anhang IV der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014 niedergelegt ist. Vielmehr trug der Testamentsvollstrecker sämtliche zur Erteilung des Nachlasszeugnisses erforderlichen Angaben in einem Schriftsatz vor.

Das zuständige Nachlassgericht weigerte sich, auf dieser Grundlage ein Europäisches Nachlasszeugnis zu erteilen.

Nachlassgericht verweist auf die Durchführunsgverordnung

Das Nachlassgericht verwies auf die Regelung in Art. 1 Abs. 5  der Durchführungsverordnung Nr. 1329/2014, die folgenden Inhalt hat:

Für den Antrag auf Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses gemäß Artikel 65 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 ist das Formblatt IV in Anhang 4 zu verwenden.

Das Nachlassgericht bestand mithin darauf, dass vom Antragsteller für seinen Antrag das amtliche Formular verwendet wird.

Dies wollte der Testamentsvollstrecker aber nicht einsehen und verwies seinerseits auf die Regelung in Art. 65 Abs. 2 EuErbVO (Europäische Erbrechtsverordnung). Dort ist folgendes festgehalten:

Für die Vorlage eines Antrags kann der Antragsteller das nach dem Beratungsverfahren nach Artikel 81 Absatz 2 erstellte Formblatt verwenden.

Die Europäische Erbrechtsverordnung enthält zur Frage der Verwendung des Formulars demnach nur eine "kann"- und keine "muss"-Bestimmung.

Antragsteller legt Beschwerde zum OLG ein

Das Nachlassgericht beharrte auf seiner Rechtsauffassung und lehnte die Erteilung des Nachlasszeugnisses ohne Verwendung des amtlichen Formblattes ab. Der Testamentsvollstrecker legte seinerseits Beschwerde zum Oberlandesgericht gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts ein.

Das OLG Köln entschied diesen Streit in der Sache aber nicht, sondern legte die Angelegenheit dem Gerichtshof der Europäischen Union mit der Bitte um Beantwortung der Frage vor, ob sich aus europäischem Recht tatsächlich der Zwang zur Benutzung des Formulars ergebe.

In seiner Entscheidung verwies das OLG darauf, dass große Teile der rechtswissenschaftlichen Literatur in Deutschland die Benutzung des Formulars als fakultative Möglichkeit und nicht als zwingend ansehen würden.

Bis zu einer Entscheidung des Gerichts in Luxemburg setzte das OLG das Verfahren aus.

Für den betroffenen Testamentsvollstrecker bedeutet dies aber, dass er bis zu einer Entscheidung auf europäischer Ebene an der Abwicklung des Nachlasses gehindert ist.

In der Praxis empfiehlt es sich aus Gründen der Rechtssicherheit bis zur Klärung der Angelegenheit durch den Europäischen Gerichtshof, für einen Antrag auf Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses das amtliche Formular zumindest immer mit zu verwenden.

Update: Der Europäische Gerichtshof hat die vom OLG Köln aufgeworfene Frage in der Zwischenzeit geklärt. Die Benutzung der amtlichen Formblätter zur Beantragung eines Europäischen Nachlasszeugnisses ist fakultativ und nicht zwingend, EuGH, Urteil vom 17.01.2019, C-102/18 (Brisch).

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