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Erbverzichtsvertrag ist sittenwidrig und nichtig, wenn Unerfahrenheit des Verzichtenden ausgenutzt und Vermögen nicht offen gelegt wird

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Urteil vom 25.01.2006 – 15 U 4751/04

  • Vater bietet seinem Sohn über einen Anwalt 19.500 DM für einen Erbverzicht
  • Später geht der Sohn gegen den Erbverzicht vor und beantragt die Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages
  • Gericht hält den Erbverzicht für sittenwidrig und gibt dem Sohn Recht

Das Oberlandesgericht München hatte die Wirksamkeit eine notariellen Erbverzichts- und Abfindungsbetrages zu beurteilen.

Parteien des Rechtsstreits waren Vater und sein nichtehelicher Sohn. Letzterer war im Jahr 1961 nichtehelich auf die Welt gekommen. Bis zum 17. Lebensjahr seines Sohnes hatte der Vater keinen Kontakt zu ihm und beschränkte sich darauf, an die Mutter seines nichtehelichen Sohnes einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von zuletzt DM 270,00 zu bezahlen.

Nachdem der Vater, der inzwischen geheiratet hatte, ab dem Jahr 1978 erstmals Kontakt zu seinem nichtehelichen Sohn aufgenommen hatte, entschloss er sich die erbrechtlichen Ansprüche seines Sohnes und einer weiteren nichtehelichen Tochter bereits zu Lebzeiten zu klären.

Vater engagiert einen Anwalt, um seine Kinder zum Erbverzicht zu überreden

Der Vater engagierte zu diesem Zweck einen Rechtsanwalt. Mit diesem legte er einen Abfindungsbetrag fest, der seinen beiden nichtehelichen Kindern im Gegenzug für einen von diesen zu erklärenden Erbverzicht angeboten werden solle. Im weiteren empfahl er seinen beiden nichtehelichen Kindern, sie mögen sich mit dem vom Vater mandatierten Anwalt besprechen, was in der Folge auch geschah.

Mit Datum vom 17.04.1980 schlossen Sohn und Tochter dann einen notariellen Vertrag mit ihrem Vater ab, mit dem sie auf ihre Erbansprüche verzichteten und zum Ausgleich für diesen Verzicht einen Abfindungsbetrag in Höhe von DM 19.500 erhielten. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verzichtsvertrages war der Sohn 19 Jahre alt.

Jahre später wurde dem Sohn offenbar bewusst, dass er mit dem Verzichtsvertrag ein schlechtes Geschäft gemacht hatte. Er zog vor Gericht und beantragte dort die Feststellung, dass der von ihm im Jahr 1980 abgeschlossene Erbverzichtsvertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig sei.

Landgericht weist die Klage des Sohnes noch ab

Vor dem Landgericht wurde die vom Kläger begehrte Feststellung noch zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers hin hob das Oberlandesgericht die Entscheidung der ersten Instanz jedoch auf. Das OLG beurteilte den Vertrag als sittenwidrig und damit unwirksam, § 138 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Das Gericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen mit dem Umstand, dass der beklagte Vater über den von ihm eingeschalteten Rechtsanwalt seinen beiden Kindern einen pauschalierten Unterhaltsbetrag als Ersatz für die Offenlegung seiner konkreten Vermögensverhältnisse offeriert hatte. Grundlage des vom Vater seinen Kindern angebotenen Abfindungsbetrag war eine Aufrechnung von Unterhaltsansprüchen und nie das tatsächliche Vermögen des Vaters. Gleichwohl erweckte der vom Vater eingeschaltete Anwalt bei den beiden Kindern den Eindruck, dass die angebotene Abfindungszahlung in Relation zum Vermögen des Vaters stehen würde.

Anwalt kannte die Vermögensverhältnisse des Vaters gar nicht

Tatsächlich kannte der vom Vater eingeschaltete Anwalt nach eigenem Bekunden die Vermögensverhältnisse seines Mandanten, der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Verzichtsvertrages bereits mehrere Immobilien besaß, gar nicht.

Der Vater nutzte den Anwalt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ersichtlich dazu, um seinem geschäftlich unerfahrenen Sohn zu einem für ihn wirtschaftlich ungünstigen Erbverzicht zu bewegen.

Die Sittenwidrigkeit des Vorgehens des Vaters ergab sich für das Gericht aus einer Gesamtwürdigung der Umstände, die zum Erbverzicht geführt hatten. Nach Auffassung des OLG war der Erbverzicht seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren und damit unwirksam.

Der Feststellungsklage des Sohnes wurde vor diesem Hintergrund stattgegeben.

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