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Gemeinsames Testament wechselbezüglich oder nicht? Grundbuchamt kann Frage nicht klären – Erbschein erforderlich

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Beschluss vom 22.03.2016 – 34 Wx 393/15

  • Notarielles Testament reicht nicht für Grundbuchberichtigung
  • Früheres gemeinsames Testament ist auslegungsbedürftig
  • Erbin muss Erbschein vorlegen

Das Oberlandesgericht München hatte im Rahmen einer grundbuchrechtlichen Angelegenheit zu klären, ob das Grundbuchamt für eine Grundbuchberichtigung auf der Vorlage eines – kostenpflichtigen – Erbscheins bestehen darf, obwohl vom Erben ein notarielles Testament vorgelegt wird.

Die Erblasserin war Eigentümerin eines Grundstücks und hatte mit Ihrem Ehemann im Jahr 1987 ein gemeinsames Testament errichtet.

In diesem Testament hatten sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt.

Nach dem Tod des zuletzt versterbenden Ehepartners sollten, so das Testament weiter, die beiden Kinder des Ehepaares als Schlusserben das Familienvermögen erhalten.

Weiter enthielt das gemeinsame Testament folgende Formulierung:

„Der überlebende Teil wird in keiner Weise beschränkt oder beschwert. Er kann über das beiderseitige Vermögen in gleicher Weise frei verfügen.“

Der Ehemann war im Jahr 1988 vorverstorben.

Überlebende Ehefrau errichtet neues Testament

Kurz vor ihrem Ableben errichtete die Ehefrau im Jahr 1994 ein notarielles Einzeltestament. In diesem Testament verfügte sie, dass das frühere Testament aus dem Jahr 1987 nicht mehr gelten soll. Anstatt ihrer beider Kinder setzte die Ehefrau nunmehr nur noch ihre Tochter als alleinige Erbin ein.

Die Ehefrau verstarb im Jahr 1994.

In der Folge wurden die vorliegenden Testamente zwar eröffnet, weitere Aktivitäten entfalteten die Beteiligten aber nicht. Insbesondere wurde von keinem der Beteiligten ein Erbschein beantragt.

Antrag auf Grundbuchberichtigung im Jahr 2015

Über 20 Jahre später wurde dann aber von der im notariellen Testament aus dem Jahr 1994 als Alleinerbin eingesetzten Tochter beim Grundbuchamt ein Antrag auf Grundbuchberichtigung gestellt.

Zum Nachweis ihrer Rechte verwies die Tochter auf das notarielle Testament aus dem Jahr 1994. Aus dieser Urkunde ergebe sich ihre Erbenstellung.

Das Grundbuchamt weigerte sich aber dem Antrag der Tochter zu entsprechen. Das Amt verwies darauf, dass die Erbfolge nach der Erblasserin unklar sei und verlangte von der Tochter der Erblasserin die Vorlage eines Erbscheins.

Beschwerde wird vom Oberlandesgericht zurückgewiesen

Hiergegen legte die Tochter Beschwerde zum Oberlandesgericht ein. Das OLG bestätigte aber die Einschätzung des Grundbuchamtes und wies die Beschwerde als unbegründet zurück.

In der Begründung seiner Entscheidung verwies das OLG darauf, dass im Rahmen eines Grundbuchberichtigungsantrags die Vorlage eines notariellen Testaments grundsätzlich ausreichend für den Nachweis der Rechte des Antragstellers sei.

Soweit ein notarielles Testament vorgelegt werde, dürfe das Grundbuchamt nicht willkürlich zusätzlich einen Erbschein fordern.

Auch bei Vorliegen eines zeitlich früheren gemeinsamen Testaments habe das Grundbuchamt grundsätzlich in eigener Verantwortung zu klären, wie sich die mehreren vorliegenden letztwilligen Verfügungen zueinander verhalten.

Soweit aber zur „Klärung dieser Frage weitere tatsächliche Ermittlungen über den Willen des Erblassers und den Willen seines Ehegatten erforderlich seien, so sei das Grundbuchamt berechtigt und verpflichtet, zum Nachweis der Erbfolge einen Erbschein zu verlangen“.

Gemeinsames Testament ist auslegungsbedürftig

Im zu entscheidenden Fall sah das OLG wegen der Frage Klärungsbedarf, ob die Schlusserbeneinsetzung der beiden Kinder in dem gemeinsamen Testament aus dem Jahr 1987 wechselbezüglich und damit bindend gewesen war.

Alleine die Öffnungsklausel in dem gemeinsamen Testament, wonach der überlebende Ehepartner „in keiner Weise beschränkt oder beschwert“ sein sollte, reichte dem Gericht nicht aus, um eine Wechselbezüglichkeit, und damit eine Bindung der Erblasserin, zu verneinen.

Im Ergebnis sah das OLG Bedarf für eine umfassende Ermittlung, ob sich das Ehepaar im Jahr 1987 in Bezug auf die Schlusserbeneinsetzung binden wollte oder nicht.

Die Klärung dieser Frage sei aber im Grundbuchverfahren nicht zu leisten, sodass der Tochter im Ergebnis nichts anderes übrig blieb, als einen Erbschein zu beantragen.

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