Das Oder-Konto bei der Bank – Rasche Verfügbarkeit von Geldmitteln nach dem Erbfall

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Oder-Konto: Zwei Inhaber - ein Konto
  • Eheleute haben oft ein Oder-Konto
  • Oder-Konto erleichtert die Abwicklung eines Erbfalls

Hat man als Erblasser das Ziel, den Hinterbliebenen die Abwicklung der Erbschaft so einfach wie möglich zu machen, dann ist es sinnvoll, zu Lebzeiten neben der Errichtung eines wirksamen Testament noch weitere Maßnahmen in die Wege zu leiten.

Erben und nächste Angehörige haben im Erbfall oft das Problem, dass sie sich ad hoc um die Bestattung des Erblassers und die Verwaltung des Nachlasses kümmern müssen, sie jedoch nicht über die notwendigen Geldmittel verfügen, um die hiermit verbundenen Ausgaben zu bestreiten.

Der klassische Weg zur den im Nachlass befindlichen Geldmitteln des Erblassers geht für den Erben über die Beantragung eines Erbscheins beim Nachlassgericht. Mit dieser Urkunde kann er sich dann gegenüber dem kontoführenden Bankinstitut des Erblassers als berechtigten Rechtsnachfolger legitimieren und nachfolgend über das Vermögen des Erblassers verfügen. Dieser Weg kostet allerdings Zeit. Es muss gegebenenfalls erst das Testament des Erblassers eröffnet werden und nachfolgend muss der Erbe beim zuständigen Nachlassgericht den Erbschein beantragen. Selbst wenn diese Maßnahmen störungsfrei verlaufen, sind bis zur Erlangung des Erbscheins in jedem Fall mehrere Wochen seit dem Todesfall verstrichen.

Handlungsfähigkeit nach Erbfall sicherstellen

Es liegt auf der Hand, dass Beerdigung und sonstige mit dem Nachlass verbundenen unaufschiebbaren Maßnahmen nicht so lange warten können.

Eine Möglichkeit für den Erblasser besteht zur Vermeidung solcher Probleme darin, dass er noch zu Lebzeiten eine vertrauenswürdigen Person, die nicht der Erbe sein muss, mit einer Vollmacht und entsprechenden Geldmitteln ausstattet und auf diesem Weg die Vornahme der dringendsten Maßnahmen nach dem eigenen Tod sicherstellt.

Eine weitere Möglichkeit, Geldmittel unmittelbar nach dem eigenen Ableben verfügbar zu machen, besteht in der Einrichtung eines so genannten Oder-Kontos bei einer Bank. Ein solches Oder-Konto zeichnet sich dadurch aus, dass mit der Bank vereinbart wird, dass jeder Inhaber des Kontos über das Konto alleine verfügungsberechtigt sein soll. Insbesondere von Eheleuten wird diese Art der Kontoführung oft mit dem kontoführenden Kreditsinstitut vereinbart.

Ein überlebender Ehepartner – oder auch jeder sonstige Mitinhaber des Kontos – muss sich im Erbfall bei einem Oder-Konto also gegenüber der Bank nicht als Verfügungsberechtigter ausweisen, sondern kann Geldmittel kraft seiner Eigenschaft als Mitinhaber des Kontos abheben. Der Tod eines Kontomitinhabers hat auf den Bestand des Kontos an sich keinerlei Auswirkungen. Ist der überlebende Kontomitinhaber nicht der Erbe, so tritt der Erbe kraft seines Erbrechts in die Stellung des Erblassers als Kontomitinhaber ein.

Kontomitinhaber kann über Geldmittel verfügen

Die kontoführende Bank wird und muss im Erbfall regelmäßig nicht überprüfen, ob der überlebende Kontomitinhaber materiell überhaupt berechtigt ist, in der gewünschten Höhe über das Konto zu verfügen. Wer im Innenverhältnis (Erblasser/Mitkontoinhaber) berechtigter Inhaber der Geldmittel ist, hat die Bank bei einem Oder-Konto zunächst nicht zu interessieren. Gibt es zwischen den beiden Kontoinhabern keine ausdrückliche Regelung zur Frage der materiellen Berechtigung, so steht ihnen das Kontoguthaben nach Kopfteilen zu.

Eheleute, die ein Oder-Konto führen, sind also in der Regel zu 50% auch materielle Forderungsinhaber. Hebt der überlebende Ehepartner, der nicht Erbe ist, nach dem Tod des Erblassers den kompletten Guthabensbetrag von dem Konto ab, so hat der Erbe gegen den Ehepartner einen Anspruch aus § 812 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) auf den hälftigen Betrag. Andersherum hat natürlich auch der überlebende Mitkontoinhaber gegen den Erben einen Erstattungsanspruch, wenn sich dieser über den ihm zustehenden Betrag hinaus bei dem Konto bedient.

Wenn ein Oder-Konto seinen Zweck als Geldspeicher für dringendste Maßnahmen nach einem Erbfall erfüllt hat, kann rechtliche Klarheit für die Zukunft jederzeit dadurch geschaffen werden, indem man das Konto in ein so genanntes Und-Konto umwandelt. In diesem Fall sind die Mitinhaber nicht mehr alleine, sondern nur noch gemeinsam in der Lage, Geldbeträge von dem Konto abzuheben.

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