Mehrheit von Erben kann Mietvertrag kündigen

Von: Dr. Georg Weißenfels

BGH – Urteil vom 11.11.2009 – XII ZR 210/05

  • Zwei von drei Erben kündigen einen Mietvertrag
  • BGH: Kündigung kann von Erbenmehrheit erklärt werden
  • Einstimmigkeit ist bei Kündigung des Mietverhältnisses nicht erforderlich

Eine für die Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses wichtige Entscheidung hat der BGH im November 2009 getroffen.

In der Sache stritten die Rechtsnachfolger einer Erbengemeinschaft mit dem Freistaat Sachsen über die Zahlung von Entschädigung für eine vom Freistaat genutzte Immobilie.

Die fragliche Immobilie war eine Villa und wurde vom Erblasser bereits im Jahr 1980 – also noch zu DDR-Zeiten – an die Staatliche Kunstsammlung Dresden vermietet. Als Mietzins war in dem Mietvertrag ein monatlicher Betrag in Höhe von 399,25 DDR-Mark vorgesehen. Die Villa wurde seit dieser Zeit für die Unterbringung der staatlichen Puppentheatersammlung genutzt.

Der Erblasser hinterlässt sein Vermögen drei Erben

Der Eigentümer der Immobilie verstarb im Jahr 1989 und hinterließ drei Erben. Erbin A war zu ¼ am Nachlass beteiligt, Erbe B zu ½, und Erbin C wiederum zu ¼. Erbin C verschenkte ihren Erbteil im Jahr 1996 an einen Verein für Heimatschutz.

Nach der Wende trat der Freistaat Sachsen die Rechtsnachfolge der Staatlichen Kunstsammlung Dresden als Mieterin an.

In der Folge versuchten die Erben, sich mit dem Freistaat Sachsen auf eine angemessene Mietzinshöhe zu verständigen, zahlte doch der Freistaat Sachsen – gestützt auf den alten Mietvertrag – nach Währungsunion und Einführung des Euro monatlich gerade einmal einen monatlichen Mietzins in Höhe von Euro 204,13.

Über eine Anwältin ließen Erbe A und Erbe B „namens der Erbengemeinschaft“ die Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.05.2002 erklären. Der Freistaat Sachsen reagierte auf diese Kündigung allerdings nicht und nutzte das Grundstück weiter.

Konnten nur zwei Erben die Kündigung wirksam erklären?

Im Jahr 2003 veräußerten die Miterben das Grundstück dann an Erwerber E. Mit Schreiben vom 05.08.2003 hatte der Freistaat dann die Zahlung eines deutlich aufgebesserten monatlichen Mietzinses in Höhe von Euro 4.078,00 angeboten. Auch hierüber einigte man sich aber nicht. Zum Ende des Jahres 2003 erklärte dann der Freistaat Sachsen seinerseits die Kündigung. Anfang Januar 2004 wurde die Villa an den neuen Eigentümer zurückgegeben.

Der neue Eigentümer verklagte sodann den Freistaat Sachsen auf Nutzungsentschädigung für die Nutzung der Villa. Die entscheidende Frage in dem über drei Instanzen geführten Rechtsstreit war, zu welchem Zeitpunkt das Mietverhältnis (mitsamt unrealistisch niedrigem Mietzins) gekündigt worden war. Noch das OLG vertrat in zweiter Instanz die Auffassung, dass das Mietverhältnis erst durch Kündigung des Freistaates Sachsen zum 31.12.2003 beendet worden sei. Dem widersprach die Klägerseite. Sie vertraten die Auffassung, dass bereits die zum 31.05.2002 noch namens der Erbengemeinschaft erklärte Kündigung wirksam gewesen sei. Nach Beendigung des Mietverhältnisses zu diesem früheren Termin machten sie den Entschädigungsanspruch des Vermieters bei verspäteter Rückgabe nach § 546a BGB geltend. Vom BGH zu klären war also, ob der Freistaat Sachsen bis zur Rückgabe der Immobilie nur den niedrigen Mietzins aus dem Mietvertrag schuldete, oder ob vom Freistaat ab einem früheren Zeitpunkt eine wesentlich höhere Miete hätte bezahlt werden müssen.

Zur Klärung dieser Frage kam es maßgeblich darauf an, ob die von den Miterben A und B im Jahr 2002 „namens der Erbengemeinschaft“ erklärte Kündigung wirksam war. Noch das OLG vertrat unter Hinweis auf § 2040 BGB die Auffassung, dass diese Kündigung mangels Tätigwerden aller drei Erben unwirksam war.

Der BGH hob das Urteil des OLG auf und änderte in diesem Urteil in einem für Erbengemeinschaften entscheidenden Punkt seine Rechtsprechung.

BGH: Mehrheit reicht für Kündigung

Bisher war der BGH nämlich davon ausgegangen, dass Kündigungen von Miet- oder Pachtverhältnissen nur durch alle Miterben gemeinsam ausgesprochen werden können. Dies galt bisher auch für den Fall, dass sich die Kündigung als eine Maßnahmen einer ordnungsgemäßen Verwaltung darstellte, die nach der Regelung in § 2038 BGB von der Mehrheit der Miterben (und gerade nicht zwingend von allen Miterben) durchgeführt werden konnte.

In dem dem BGH vorliegenden Fall ging es für die rechtliche Bewertung also entscheidend um das Verhältnis zwischen § 2038 BGB (Mehrheitsentscheidung reicht) und § 2040 BGB (Verfügung nur einstimmig zulässig).

Nach sorgfältiger Abwägung bisheriger Rechtsprechung und verschiedener Literaturmeinungen gab der BGH der Auffassung den Vorzug, wonach eine mehrheitlich von Mitgliedern einer Erbengemeinschaft getroffene Verfügung über einen Nachlassgegenstand (und damit auch die Kündigung eines Mietverhältnisses) auch mit Stimmenmehrheit zulässig ist, wenn sich die Maßnahme als ordnungsgemäße Nachlassverwaltung darstellt. § 2038 BGB wurde also insoweit der Vorrang gegenüber § 2040 BGB eingeräumt.

Für den vorliegenden Fall bedeutete dies, dass bereits die von den Miterben A und B zum 31.05.2002 erklärte Kündigung wirksam war. Der Freistaat Sachsen war demnach ab diesem frühen Zeitpunkt verpflichtet, einen Mietzins in Höhe von monatlich Euro 4.078,00 zu bezahlen.

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