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Erbengemeinschaft will Nachlassimmobilie veräußern – Ein Erbe spielt nicht mit

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Erben müssen grundsätzlich gemeinsam handeln
  • BGH: Unter Umständen ist eine Mehrheitsentscheidung unter den Erben zulässig
  • Man kann immer eine Zwangsversteigerung beantragen

Hat der Erblasser in seinem Testament mehr als nur einen Erben eingesetzt oder sind nach der gesetzlichen Erbfolge mehrere Erben zur Erbfolge berufen, dann entsteht mit dem Ableben des Erblassers automatisch und kraft Gesetz zwischen den mehreren Erben eine so genannte Erbengemeinschaft.

Die Regeln, die das Gesetz für eine solche aus mehreren Erben bestehende Erbengemeinschaft bereitstellt, haben es durchaus in sich.

So besagt zum Beispiel eine zentrale Vorschrift in § 2040 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch), dass die in einer Erbengemeinschaft gebundenen Erben über einen Nachlassgegenstand nur gemeinschaftlich verfügen können.

Sind im Nachlass demnach beispielsweise ein Fahrzeug, Goldmünzen oder auch eine Immobilie vorhanden, dann müssen nach der gesetzlichen Vorgabe alle Erben grünes Licht signalisieren, bevor der Nachlassgegenstand von der Erbengemeinschaft veräußert und zu Geld gemacht werden kann.

Die Blockade der Erbengemeinschaft

Weigert sich auch nur ein Erbe, der Veräußerung seinen Segen zu geben, so ist die komplette Erbengemeinschaft zunächst einmal blockiert.

Es kommt dabei grundsätzlich auch nicht darauf an, wie die Mehrheitsverhältnisse in der Erbengemeinschaft sind. Sind also zum Beispiel fünf Miterben, die 90% der Erbanteile halten, mit der Veräußerung einverstanden und weigert sich ein 10%-Miterbe, der Veräußerung zuzustimmen, dann ist die Veräußerung erst einmal auf Eis gelegt.

Gerade wenn es für die Erbengemeinschaft in Zusammenhang mit Nachlassimmobilien um namhafte Werte geht und die Zustimmung des einen Erben grundlos oder aus kaum nachvollziehbaren Motiven verweigert wird, sucht man in der Erbengemeinschaft naturgemäß nach Wegen, wie die Veräußerung doch noch vollzogen werden kann.

Keine gute Idee: Nachlasspflegschaft beantragen

Es ist in einer solchen Situation regelmäßig keine gute Idee, im Falle eines blockierenden Miterben beim Nachlassgericht eine Nachlasspflegschaft zu beantragen, um auf diesem Weg Bewegung in die oft verfahrene Situation zu bringen.

Ein Nachlasspfleger ist nämlich ausdrücklich für eine uneinige oder zerstrittene Erbengemeinschaft nicht die richtige Anlaufstelle.

Wann ein Nachlasspfleger eingesetzt werden kann, ist in § 1960 BGB definiert. Chaos oder Uneinigkeit in der Erbengemeinschaft gehören nicht zu den Gründen, die eine Nachlasspflegschaft erforderlich machen.

Notgeschäftsführung rechtfertigt Handeln auch eines einzelnen Erben

Mehr Sinn macht es dabei schon, darüber nachzudenken, ob – ausnahmsweise – ein Fall eines so genannten Notverwaltungsrechts nach § 2038 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BGB vorliegt.

Nach dieser gesetzlichen Vorschrift kann ein Miterbe auch allein und ohne die anderen Miterben die „zur Erhaltung des Nachlasses notwendigen Maßnahmen“ vornehmen.

Wenn man Schaden vom Nachlass abwenden will, muss man nicht warten, bis alle Miterben ihr OK gegeben haben.

In Bezug auf einen geplanten Verkauf eines Nachlassgrundstücks ist es allerdings nur schwer vorstellbar, dass ein solcher Notfall vorliegt, der das Handeln einzelner Erben rechtfertigen würde.

Klage gegen Miterben möglich?

Überlegenswert ist, ob eine Klage der verkaufswilligen Miterben gegen den blockierenden Miterben auf Zustimmung zur Veräußerung möglich ist.

Für einfache Verwaltungsmaßnahmen innerhalb einer Erbengemeinschaft kann man die Mitwirkung einzelner Erben notfalls durch eine Klage erzwingen.

Dies gilt allerdings nicht für Verfügungen über einzelne Nachlassgegenstände. Wenn also ein Miterbe partout nicht verkaufen will, dann kann diese Haltung auch nicht durch ein gerichtliches Klageverfahren aufgebrochen werden.

BGH-Urteil macht Hoffnung

Verkaufswillige Erben können gegebenenfalls aus einem Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2005 Hoffnung schöpfen (BGH, Urteil vom 28.09.2005, IV ZR 82/04).

In dieser Entscheidung hat der BGH eine Grundstücksveräußerung durch eine Erbengemeinschaft nämlich als – mehrheitsfähige – Verwaltungsmaßregel im Sinne des § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 BGB eingestuft.

Voraussetzung für eine durch Mehrheitsbeschluss mögliche Veräußerung einer Nachlassimmobilie sei, so der BGH, dass die Veräußerung „ordnungsgemäß“ und „erforderlich“ sei.

Für die Ordnungsgemäßheit sei „der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers“ entscheidend.

Die Frage zur Erforderlichkeit ist, so der BGH, danach zu beantworten, „ob ohne den beabsichtigten Verkauf eine wirtschaftliche Beeinträchtigung des Nachlasswertes zu besorgen gewesen wäre.“

 In der Praxis sind diese Vorgaben des obersten deutschen Zivilgerichts allerdings eher vage und wenig hilfreich.

Ob beispielsweise ein Grundbuchamt alleine mit Hinweis auf dieses BGH-Urteil davon überzeugt werden kann, von dem so genannten formellen Konsensprinzip in § 19 GBO (Grundbuchordnung) abzusehen und eine Grundbuchumschreibung auch dann vorzunehmen, wenn nicht alle betroffenen Mitglieder der Erbengemeinschaft dem Eigentumswechsel zugestimmt haben, darf bezweifelt werden.

Am Ende bleibt die Teilungsversteigerung

Soweit auch mit noch so intensiver Überzeugungsarbeit der kooperationsunwillige Miterbe nicht von der Veräußerung der Nachlassimmobilie überzeugt werden kann, bleibt den verkaufswilligen Miterben immer noch der Weg der Teilungsversteigerung.

Jeder Miterbe kann nämlich nach § 2042 BGB jederzeit die Teilung des Nachlasses verlangen.

Nicht teilbare Nachlassgegenstände, wie z.B. Grundstücke, werden dabei im Wege der Zwangsversteigerung veräußert, soweit keine einvernehmliche Lösung unter den Erben zustande kommt.

Der Erlös aus dieser Versteigerung ist dann unter den Miterben zu verteilen.

Wenn Sie in Ihrer Angelegenheit anwaltliche Hilfe benötigen, dann können Sie hier spezialisierte Rechtsanwälte finden.

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