Befreiter Vorerbe darf Grundstück verkaufen

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG Karlsruhe – Beschluss vom 25.08.2015 – 11 Wx 66/15

  • Befreiter Vorerbe will Grundstücke veräußern
  • Grundbuchamt verweigert die Zustimmung, da es eine zumindest teilweise Schenkung annimmt
  • Gericht überstimmt das Grundbuchamt

Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte in einer grundbuchrechtlichen Angelegenheit darüber zu entscheiden, ob ein befreiter Vorerbe ein zum Nachlass gehörendes Grundstück wirksam veräußern kann.

Der Beschwerdeführer war von seiner Ehefrau in einem gemeinschaftlichen Testament im Jahr 1992 als ihr alleiniger Vorerbe eingesetzt worden. Von den gesetzlich vorgesehenen Beschränkungen eines Vorerben hatte die Ehefrau ihren Ehemann in dem Testament befreit.

In dem Testament benannte die Ehefrau auch einen Nacherben sowie weitere Ersatznacherben.

Nach dem Tod seiner Ehefrau wurde der Beschwerdeführer im Jahr 1996 als alleiniger Vorerbe unter anderem Eigentümer zweier landwirtschaftlich genutzter Flächen.

Vorerbe will Grundstücke verkaufen

Diese beiden Flächen wollte der Beschwerdeführer Anfang 2015 veräußern. Er erkundigte sich bei dem zuständigen Gutachterausschuss nach dem aktuellen Zeitwert der Grundstücke und schloss am 22.01.2015 einen notariellen Kaufvertrag mit dem Erwerber der Grundstücke. Als Kaufpreis war in diesem vertrag mit einem Betrag in Höhe von 3,50 Euro je Quadratmeter exakt der Wert vereinbart, der dem Veräußerer der Grundstücke von dem Gutachterausschuss als aktueller Zeitwert genannt worden war. Insgesamt betrug der vereinbarte Kaufpreis 8.750 Euro.

Nachdem die Notarin, die den Vertrag beurkundet hatte, beim Grundbuchamt die Umschreibung des Grundstücks auf den Erwerber und die Löschung des Nacherbenvermerks beantragt hatte, legte sich das Grundbuchamt quer. Das Grundbuchamt ließ die Beteiligten wissen, dass es den grundbuchmäßigen Vollzug des Vertrages von der Zustimmung des Nacherben sowie der im Testament benannten Ersatznacherben abhängig mache.

Diese Zustimmung des Nacherben und der Ersatznacherben sah das Grundbuchamt als erforderlich an, da es davon ausging, dass die beiden Grundstücke vom Vorerben zumindest teilweise unentgeltlich übertragen werden sollten. Der im Kaufvertrag vereinbarte Kaufpreis von 3,50 Euro je Quadratmeter sei zu niedrig. Landwirtschaftsfläche sei „in der Regel mehr Wert“. Eine teilweise Unentgeltlichkeit des vorliegenden Rechtsgeschäftes schloss das Grundbuchamt ergänzend aus der Tatsache, dass die zum verkauf stehenden Flächen zeitweise mit einer Grundschuld über EUR 35.790,43 belastet gewesen seien.

Gegen die Weigerung des Grundbuchamtes, den vorliegenden Vertrag zu vollziehen, richtete sich die Beschwerde des Vorerben. Er trug ergänzend vor, dass das der Grundschuld zugrunde liegende Darlehen auch anderweitig, und nicht nur über die beiden Grundstücke, gesichert gewesen sei.

OLG hebt die Entscheidung des Grundbuchamtes auf

Nach Anhörung des Nacherben gab das OLG der Beschwerde statt und wies das Grundbuchamt an, den Vollzug des Vertrages jedenfalls nicht aus den bisher vertretenen Gründen zu verweigern.

In der Begründung seiner Entscheidung verwies das OLG zunächst darauf, dass ein Vorerbe nach der Rechtsprechung des BGH dann selbst unentgeltlich über eine Nachlassimmobilie verfügen dürfe, wenn der Nacherbe dieser Verfügung zugestimmt habe. Es sei hingegen nicht erforderlich, dass auch der Ersatznacherbe dem Rechtsgeschäft seine Zustimmung erteilt.

Vorliegend bedürfe es aber gar keiner Zustimmung durch den Nacherben, da der Vorerbe gar nicht unentgeltlich über das Grundstück verfügt habe. Die in dem Kaufvertrag vorgesehene Gegenleistung in Höhe von 3,50 Euro je Quadratmeter sah das OLG als ausreichend an. Als befreitem Vorerben war es dem Beschwerdeführer aber erlaubt, entgeltlich über die beiden Nachlassgrundstücke zu verfügen.

Eine entgeltliche Verfügung sei immer dann anzunehmen,

„wenn die dafür maßgebenden Beweggründe im Einzelnen angegeben werden, verständlich und der Wirklichkeit gerecht werdend erscheinen und begründete Zweifel an der Pflichtmäßigkeit der Handlung nicht ersichtlich sind (OLG München MDR 2014, 1384, juris-Rn. 9; Demharter, GBO, 29. Auflage, § 53, Rn. 23).“

Kaufpreis wurde vom Gutachterausschuss festgesetzt

Hier sei insbesondere zu berücksichtigen, so das OLG, dass die Parteien in dem Kaufvertrag exakt den Wert als Kaufpreis angesetzt hätten, der ihnen vom zuständigen Gutachterausschuss als angemessen benannt wurde.

Die Tatsache, dass die Grundstücke mit Grundschulden belastet waren, die in ihrem Wert dreimal so hoch lagen wie der vereinbarte Kaufpreis, erkläre sich, so das OLG, aus dem Umstand, dass die Grundstücke nicht die einzige Sicherheit für die zugrunde liegenden Kredite darstellten.

Weiter führte das OLG aus, dass die Veräußerung von Grundstücken durch einen Vorerben nur dann unwirksam sei, wenn nicht nur „der Verkaufspreis … objektiv zu niedrig ist, sondern der Vorerbe dies auch weiß oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung hätte wissen müssen.“ Auch für eine solche Annahme fehlte dem OLG jeder Anhaltspunkt.

Im Ergebnis musste das Grundbuchamt daher die Veräußerung grundbuchrechtlich vollziehen und den Nacherbenvermerk für die beiden Grundstücke löschen. Hierfür war es im konkreten Fall irrelevant, dass weder der Nacherbe noch die Ersatznacherben der Veräußerung zugestimmt hatten.

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