Vorsicht bei der Ausschlagung der belasteten Erbschaft nach § 2306 BGB – Möglicher Verlust des Pflichtteilsrechtes!

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Belastete Erbschaft kann ausgeschlagen werden, um den unbelasteten Pflichtteil fordern zu können.
  • Bei Ausschlagung der Erbschaft aus allen Berufungsgründen kann es Probleme geben.
  • Der pflichtteilsberechtigte Erbe verliert gegebenenfalls seinen Pflichtteil.

Wenn man eine Erbschaft angetragen bekommt, bei der sich im Nachlass mehr Schulden als positives Vermögen befindet, dann kann man die Erbschaft binnen einer Frist von sechs Wochen durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht ausschlagen, § 1944 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Nach erfolgter Ausschlagung hat man in aller Regel mit Erbschaft und Nachlass nichts mehr zu tun … und wird oft froh darüber sein.

In bestimmten Fällen ist das Band zum Erblasservermögen durch eine fristgerechte Ausschlagungserklärung aber nicht zerschnitten. Hat der Erblasser nämlich einen pflichtteilsberechtigten Erben zwar in seinem Testament als Erben bedacht, den Erben aber gleichzeitig mit für den Erben lästigen Auflagen und Erschwernissen versehen, dann eröffnet § 2306 BGB dem betroffenen Erben die Möglichkeit, sein (belastetes) Erbe auszuschlagen und nachfolgend seinen (unbelasteten) Pflichtteil zu verlangen.

Beispiel:

Vater setzt im Testament Sohn zu ½ als Erben ein, die andere Hälfte soll an die Ehefrau und Mutter gehen.

Gleichzeitig ordnet Vater in dem Testament ein Vermächtnis zugunsten eines Sportvereins an. Ebenfalls enthält das Testament die Anordnung, dass ein Testamentsvollstrecker eingesetzt wird, eine Auflage zulasten des Sohnes, wonach sich dieser um den Familienhund kümmern muss und eine Teilungsanordnung, wonach der Familienwohnsitz an die Ehefrau als Miterbin gehen soll.

Die Anordnung von Vermächtnis, Testamentsvollstreckung, Teilungsanordnung, und Auflage sind für den als Erben eingesetzten Sohn nach Eintritt des Erbfalls so lästig, dass er sich dazu entschließt, von seinem Recht nach § 2306 BGB Gebrauch zu machen. Er schlägt die ihm durch Testament angetragene Erbschaft aus und fordert von der Mutter seinen Pflichtteil.


Je lästiger und gravierender die Beschränkungen sind, die der Erblasser einem pflichtteilsberechtigten Erben in seinem Testament auferlegt hat, desto eher kann es sich für den pflichtteilsberechtigten Erben lohnen, die Erbschaft auszuschlagen und seinen Pflichtteil zu fordern.

Formulierung der Ausschlagung

Ein neueres Urteil des OLG Schleswig vom 02.09.2014 (Az.: 3 U 3/14) legt nahe, bei der Formulierung der Ausschlagungserklärung im Falle des § 2306 BGB sorgfältig vorzugehen.

In dem vom OLG Schleswig entschiedenen Fall hatte ein pflichtteilsberechtigter Erbe nach dem Tod seines Vaters seine belastete Erbschaft nach § 2306 BGB ausgeschlagen und machte gegen seine Schwester als alleinige Erbin nachfolgend Pflichtteilsansprüche nach §§ 2303 ff. BGB geltend.

In der Ausschlagungserklärung hatte der Sohn folgende (durchaus gängige) Formulierung verwandt:

„Ich schlage die Erbschaft aus allen Berufungsgründen aus.“

Diese Formulierung rief nunmehr die Rechtsvertreter der Erbin auf den Plan. Sie machten geltend, dass der klagende Sohn seinen Pflichtteilsanspruch deswegen verloren habe, weil er die Ausschlagung der Erbschaft „aus allen Berufungsgründen“ erklärt habe.

Die beklagte Erbin ließ vor Gericht wie folgt vortragen:

Da der Kläger aus allen Berufungsgründen die Erbschaft ausgeschlagen habe, habe er damit zu verstehen gegeben, dass er aus allen ihm bekannten und unbekannten Gründen auf die Erbschaft verzichte und auf keinen Fall (Mit-)Erbe sein wolle. Derjenige, der aus allen Berufungsgründen ausschlage, verliere auch seinen Pflichtteilsanspruch, da sich dieser nach dem gesetzlichen Erbteil berechne, auf den der Ausschlagende ebenfalls verzichtet habe.“

Tatsächlich mussten sich sowohl das Landgericht in erster Instanz und auch das Oberlandesgericht als Berufungsgericht intensiv mit dieser, auch in der Literatur vertretenen, Auffassung beschäftigen. Die Rechtsfrage wurde am Ende vom OLG zwar zugunsten des Sohnes entschieden, eine höchstrichterliche Entscheidung des BGH zu der Frage steht aber aus.

Um solchen Diskussionen im Falle des § 2306 BGB aus dem Weg zu gehen, wird in der Kommentarliteratur (de Leve, ZEV 2010, 184, 185) empfohlen, bei der Ausschlagung zum Zweck der Geltendmachung des Pflichtteils folgende Formulierung zu verwenden:

„… schlage ich die mir hinterlassene Erbschaft aus, um den Pflichtteil geltend machen zu können, § 2306 BGB.“


Ob wenigstens mit einer solchen Formulierung alle Restzweifel beseitigt sind, muss am Ende wohl der Bundesgerichtshof entscheiden.

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