In welchem Umfang müssen Erben Auskunft über Zuwendungen des Erblassers erteilen?

Von: Dr. Georg Weißenfels

OLG München – Urteil vom 17.02.2016 – 20 U 126/15

Das Oberlandesgericht München hatte über die Frage zu befinden, in welchem Umfang sich Erben untereinander über angebliche vom Erblasser erhaltene Vorempfänge Auskunft erteilen müssen.

In der Angelegenheit waren zwei Geschwister nach dem Tod ihres Vaters aneinander geraten.

Der Vater war am 13.05.2012 verstorben und hatte in seinem Testament die beiden Geschwister zu je 38/100 zu seinen Erben eingesetzt.

Nach dem Erbfall stritten Bruder und Schwester über die Verteilung des vorhandenen Geldvermögens. Eine weitere Schwester der beiden war bereits vorab aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden.

Der Bruder hatte seine Schwester nach dem Tod des Vaters aufgefordert, Auskunft über sämtliche finanziellen Zuwendungen zu erteilen, die sie von dem gemeinsamen Vater zu Lebzeiten erhalten habe.

Die Schwester ließ ihren Bruder daraufhin wissen, dass alle drei Kinder von dem Vater Zuwendungen in gleicher Höhe erhalten hätten. Von Geldtransfers des Vaters habe sie keine Kenntnis, so die Schwester, die den Vater von 2009 bis zu seinem Tod gepflegt hatte, weiter.

Der Bruder erhob daraufhin Klage gegen seine Schwester und begehrte in der Klage Auskunft über lebzeitige Zuwendungen des Vaters an die Schwester. Die Schwester wurde daraufhin vom Landgericht antragsgemäß verurteilt, die begehrte Auskunft zu erteilen.

Daraufhin ließ die Schwester ihren Bruder wissen, dass sie Inhaberin von drei Bankkonten sei, um die sich vor seinem Ableben ausschließlich der gemeinsame Vater gekümmert habe. Sie selber, so die Schwester, wisse nur aus neuerdings eingeholten Kontoauszügen, was aus auf diesen Bankkonten passiert sei.

Für zwei der Konten erklärte die Schwester ausdrücklich, dass sich aus den Kontoauszügen „nicht im Ansatz“ ergebe, dass Zuwendungen des Erblassers an sie erfolgt seien.

Der Bruder beantragte sodann, dass die Schwester verurteilt werden soll, die Richtigkeit dieser Aussage an Eides statt zu versichern. Zur Begründung trug er vor, dass die bisher gemachten Angaben der Schwester offensichtlich falsch seien. So habe seine Schwester im Alter von 54 Jahren ihre Berufstätigkeit aufgegeben und sie lebe derzeit von erheblichen Leistungen aus Lebensversicherungen. Diese Versicherungen könne sie sich nur deshalb leisten, weil seitens des Erblassers entsprechende Zahlungen geflossen seien. Auch habe die andere Schwester Zahlungen in Höhe von 165.000 Euro von ihrem Vater erhalten.

Weiter habe die Schwester, so der Vortrag des Bruders, diverse Zahlungsbewegungen in fünfstelliger Höhe auf ihren Konten verschwiegen, die mit dem verstorbenen Vater zu tun hätten.

Die Schwester widersetzte sich dem Antrag, der sie zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verpflichten sollte. Sie habe die Auskunft mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt.

Mit Teilurteil vom 05.12.2014 wies das Landgericht den vom Bruder gestellten Antrag auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ab. Es gebe keinen Grund zu der Annahme, so das Landgericht, dass die Beklagte die Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt und deshalb die Unrichtigkeit der Auskunft anzunehmen sei.

Gegen dieses Teilurteil legte der Bruder Berufung zum OLG ein. Dort bekam er auch Recht. Seine Schwester wurde dort verurteilt, zu Protokoll an Eides Statt zu versichern, dass sie nach bestem Wissen und Gewissen die von ihrem verstorbenen Vater erhaltenen Zuwendungen so vollständig angegeben hat, als sie dazu im Stande ist.

Das OLG kreidete der Schwester insbesondere an, dass sie angegeben hatte, dass sich aus den Kontounterlagen Zuwendungen des Vaters „nicht einmal im Ansatz“ ergeben würden. An dieser Aussage hatte das OLG zumindest hinsichtlich einer Kontobewegung über einen Betrag in Höhe von 10.000 Euro erhebliche Zweifel.

Auch der Umstand, dass die Schwester in dem Verfahren vor dem OLG teilweise einknickte und ihre Auskunft dort mit Hilfe eines Steuerberaters nachbesserte, konnte das OLG nicht überzeugen.

Das OLG führte aus, dass ein Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung immer dann gegeben sei, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die erteilte Auskunft unvollständig ist und dass dies auf mangelnder Sorgfalt der zur Auskunft verpflichteten Person beruht.

Unvollständigkeit der Auskunft und mangelnde Sorgfalt müssten dabei, so das OLG, nicht feststehen. Ein auf Tatsachen gegründeter Verdacht reiche vielmehr aus.

Dieser Verdacht könne sich dabei aus „einer früheren Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit von Informationen der Verpflichteten oder auf einer mehrfach berichtigten Auskunft“ ergeben.

Im zu entscheidenden Fall würde jedenfalls auch das Auskunftsverhalten der beklagten Schwester Anlass zu Zweifeln an der Vollständigkeit der Auskunft geben.

Das OLG verwies insoweit auf ein Urteil des BGH, wonach sich die zur Auskunft verpflichtete Person „anhand sämtlicher erreichbarer Erkenntnisquellen bis zur Grenze der Unzumutbarkeit eigenes Wissen zu verschaffen und solches - notfalls mit Unterstützung durch Hilfspersonen - zu vervollständigen“ habe, (BGH, Urteil vom 8. Juni 1988, IVa ZR 57/87).

Nachdem die Schwester dies aber unterlassen habe, musste sie die Richtigkeit ihrer erteilten Auskünfte an Eides statt versichern.

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