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Anfechtung eines Erbverzichts bzw. eines Pflichtteilsverzichts wegen Irrtum oder Täuschung

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Erbe kann durch notariell beurkundeten Vertrag auf Erbe oder Pflichtteil verzichten.
  • Ein Verzicht auf Erbe oder Pflichtteil erfolgt häufig gegen Abfindung.
  • Mögliche Anfechtung eines Verzichtsvertrages, wenn der Erblasser nicht mit offenen Karten spielt.

§ 2346 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) eröffnet die Möglichkeit, die eigene Erbfolge bereits zu Lebzeiten in geordnete Bahnen zu lenken.

Nach diesem Paragrafen haben nämlich Verwandte des Erblassers sowie sein Ehegatte die Möglichkeit, durch einen notariell beurkundeten Vertrag auf ihr gesetzliches Erbrecht zu verzichten.

Folge eines solchen Vertrages ist, dass der Verzichtende von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist und auch grundsätzlich keinen Pflichtteil mehr verlangen kann. Die Verzichtserklärung kann auch nur auf den Pflichtteil beschränkt werden.

Verzicht auf den Pflichtteil wird mit Abfindung kombiniert

In der Praxis kommen solche Verzichtsverträge durchaus häufig vor. Sie werden regelmäßig mit einer Abfindungsvereinbarung zugunsten des Verzichtenden kombiniert. Der Verzichtende verabschiedet sich mit der Verzichtserklärung aus der Erbfolge und erhält dafür im Gegensatz – meist schon zu Lebzeiten des Erblassers – einen Abfindungsbetrag in Höhe von x Euro.

Beide Seiten können von solch einer Vereinbarung profitieren. Der Erblasser kann durch eine Abschichtung von (zukünftigen) erbrechtlichen Ansprüchen dafür sorgen, dass er die Erbfolge ganz nach seinem Gutdünken gestalten kann. Er kann für den von ihm favorisierten Erben lästige Pflichtteilsansprüche bereits im Vorfeld bereinigen und erspart dem Erben die Bildung einer gegebenenfalls auseinandersetzungsträchtigen Erbengemeinschaft.

Der Verzichtende wiederum wird einer vorzeitigen Regelung ebenfalls nicht abgeneigt sein, wenn er auf diesem Weg bereits vor Eintritt des Erbfalls über entsprechende Barmittel verfügen kann und auch er sich perspektivisch Zeit und Nerven bei der so entfallenden Erb- oder Pflichtteilsauseinandersetzung spart.

Voraussetzungen für einen Verzichtsvertrag

Voraussetzung für das Zustandekommen eines Erb- oder Pflichtteilsverzichtsvertrages ist regelmäßig, dass die Gegenleistung, die der weichende Erbe für seinen Verzicht erhält, angemessen und fair ist. Wenn der Erblasser den Versuch unternimmt, den Erb- und Pflichtteilsberechtigten mit einem „Butterbrot“ abzuspeisen, wird er nur in den seltensten Fällen zum gewünschten Verzicht kommen.

Die Abfindung für den Verzichtenden darf betragsmäßig regelmäßig nicht wesentlich unter dem Wert liegen, den der gesetzliche Pflichtteil für den weichenden Erben ausmachen würde. Anderenfalls hat der Verzichtende kaum eine Motivation, den Wünschen des Erblassers zum Ausscheiden aus der Erbfolge nachzukommen.

Wie hoch soll die Abfindung sein?

Bei Festlegung einer angemessenen Abfindung ist der Verzichtende ein stückweit auf das Fairplay des zukünftigen Erblassers angewiesen. Um den ihm zustehenden Abfindungsanspruch beziffern zu können, braucht er natürlich Anhaltspunkte über die gegenwärtige und auch zukünftige Vermögenslage des Erblassers. Nur wenn der Verzichtende hier über belastbare Informationen verfügt, kann er beurteilen, ob die im Raum stehende Abfindungszahlung angemessen ist oder nicht.

Der Erblasser, der in dieser Frage allerdings versucht, sich durch das Zurückhalten von Informationen einen unlauteren Vorteil zu verschaffen, könnte am Ende mit Zitronen gehandelt haben.

Kommt der Verzichtende nämlich nach Abschluss des Verzichtsvertrages in den Besitz von Informationen, die ihm nahe legen, dass er sich bei Abschluss des Verzichtsvertrages über „verkehrswesentliche Eigenschaften“ des Vermögens des Erblassers geirrt hat oder er vom Erblasser sogar bewusst getäuscht wurde, dann steht eine Anfechtung des Verzichtsvertrages nach den §§ 119,123 BGB im Raum.

Eine Anfechtung beseitigt die Rechtswirkungen des Verzichtsvertrages. Der Verzichtende hat also nach Abschluss des Verzichtsvertrages und bei Vorliegen eines Anfechtungsgrundes durch eine Anfechtung die Möglichkeit, die Rechtswirkungen des Vertrages aufzuheben.

Es laufen für die Anfechtung kurze Fristen

Dabei muss derjenige, der eine Anfechtung beabsichtigt, immer laufende Fristen im Auge behalten. Eine Anfechtung, die sich auf den Anfechtungsgrund des § 119 BGB stützt, hat unverzüglich zu erfolgen. Eine Anfechtung nach § 123 BGB wegen Täuschung oder Drohung muss binnen Jahresfrist erfolgen. Die Anfechtung ist generell ausgeschlossen, wenn seit dem Zustandekommen des Pflichtteilsverzichts zehn Jahre vergangen sind.

Hat der Verzichtende wirksam und rechtzeitig die Anfechtung erklärt, leben seine erbrechtlichen Ansprüche wieder auf. Im Gegenzug muss er freilich eine eventuell bereits vereinnahmte Abfindungszahlung an den Erblasser zurück erstatten.

Wie lange ein Erb- oder Pflichtteilsvertrag wegen Irrtums bzw. arglistiger Täuschung angefochten werden kann, ist unter Juristen umstritten.

Die wohl überwiegende Meinung vertritt in diesem Punkt die Auffassung, dass eine Anfechtung nicht mehr möglich ist, wenn entweder der Erblasser oder der Verzichtende verstorben sind.

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