MUSTER: Die vollständige Enterbung – Der Entzug des Pflichtteils

Von: Dr. Georg Weißenfels
  • Vollständige Enterbung nimmt jede Beteiligung am Nachlass.
  • Entzug des Pflichtteils nur in den im Gesetz genannten Fällen möglich.
  • Welche Umstände rechtfertigen eine komplette Enterbung?

Wenn der Erblasser den Entschluss gefasst hat, dass ein naher Angehöriger oder sein Ehepartner nach Eintritt des Erbfalls gar nichts erhalten soll, dann hat der Erblasser in aller Regel ein rechtliches Problem.

Nach § 2303 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) haben nämlich Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel) des Erblassers, sein Ehepartner und unter Umständen auch die Eltern des Erblassers ein so genanntes Pflichtteilsrecht.

Pflichtteil gewährt Mindestbeteiligung an dem Nachlass

Dieses Pflichtteilsrecht besagt, dass Abkömmlinge, Ehegatten und gegebenenfalls auch die Eltern des Erblassers selbst dann eine Mindestbeteiligung am Nachlass erhalten, wenn sie der Erblasser in seinem Testament von der Erbfolge ausgeschlossen hat.

Der Wille des Erblassers, wonach eine bestimmte Person aus seinem nächsten Umfeld nach Eintritt des Erbfalls nicht am Erblasservermögen beteiligt werden soll, wird mithin vom Gesetz ignoriert und gleichzeitig korrigiert.

Jeder Pflichtteilsberechtigte kann nach Eintritt des Erbfalls von dem Erben seinen Pflichtteil in Höhe des Wertes der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils verlangen.

Der Entzug des Pflichtteils ist in Ausnahmefällen möglich

In einigen wenigen im Gesetz abschließend definierten Fällen, ist es dem Erblasser aber möglich, auch dem Grunde nach pflichtteilsberechtigte Personen für den Erbfall gänzlich von seinem Vermögen fern zu halten.

In § 2333 BGB sind – abschließend – die Fälle aufgeführt, in denen auch der Gesetzgeber den Wunsch des Erblassers akzeptiert, wonach eine pflichtteilsberechtigte Person im Erbfall gänzlich leer ausgehen soll.

Liegen die Voraussetzungen des § 2333 BGB vor, kann ein Erblasser also in seinem Testament wirksam verfügen, dass beispielsweise ein bestimmtes Kind, ein bestimmter Enkel oder auch der Ehepartner nicht nur von der Erbfolge ausgeschlossen sein, sondern er auch nicht den gesetzlichen Pflichtteil erhalten soll.

Der Entziehungsgrund muss zwingend im Testament angegeben werden

Um einen solchen Entzug des Pflichtteils wirksam umsetzen zu können, muss der Erblasser zunächst zwingend überhaupt einen letzten Willen in Form eines Testaments oder eines Erbvertrages errichten.

In diesem letzten Willen muss dann der Entzug des Pflichtteils angeordnet und insbesondere angegeben werden, welcher der insgesamt vier in § 2333 BGB vorgesehenen Pflichtteilsentziehungsgründe vorliegt.

Der Grund, der zum Entzug des Pflichtteils führt, muss vom Erblasser in Testament bzw. Erbvertrag angegeben werden.

Es ist in jedem Fall eine individuelle Begründung notwendig

Die bloße Anordnung, wonach zum Beispiel einem bestimmten Kind der Pflichtteil entzogen wird, ohne dass ein bestimmter Entziehungsgrund angegeben wird, führt nie zu der vom Erblasser gewünschten Rechtsfolge.

Die nachfolgend dargestellten Musterformulierungen einer Pflichtteilsentziehung sind lediglich beispielhaft dargestellte Fälle.

Es macht ausdrücklich keinen Sinn, die Musterformulierungen mehr oder weniger unverändert in ein eigenes Testament zu übernehmen.

Jede Pflichtteilsentziehung muss vielmehr individuell begründet werden.

Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 1 BGB

Ich entziehe meiner Tochter Britta hiermit den Pflichtteil.

Meine Tochter hat am 02.11.2012 versucht, mich umzubringen, indem sie versuchte mich mit hoher Geschwindigkeit mit ihrem Auto zu überfahren. Der Sachverhalt wurde seinerzeit bei der Polizei zur Anzeige gebracht. Meine Tochter wurde wegen dieses Vorfalls vom Landgericht Augsburg am 01.09.2013 rechtkräftig wegen versuchten Totschlags zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB

Ich entziehe meinem Sohn Hans hiermit den Pflichtteil.

Mein Sohn Hans hat am 01.06.2012 meine Tochter unter Einsatz einer Schusswaffe beraubt. Er ist wegen dieser Straftat wegen schweren Raubes nach § 250 BGB am 03.02.2014 vom Landgericht Augsburg zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden.

Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 3 BGB

Ich entziehe meinem Sohn Hans hiermit den Pflichtteil.

Mein Sohn Hans hat mich, obwohl er sehr vermögend ist, während langer Jahre weder finanziell noch sonst wie unterstützt. Ich war während langer Jahre darauf angewiesen, von der Sozialhilfe zu leben und bin erst zuletzt aufgrund einer Erbschaft selber vermögend geworden. Die mangelnde Unterstützung durch meinen Sohn hat mich sowohl materiell als auch moralisch tief getroffen. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen, mich mit regelmäßigen Unterhaltszahlungen zu unterstützen. Er zog es hingegen vor, einen mehr als verschwenderischen Lebensstil zu pflegen.

Pflichtteilsentziehung nach § 2333 Abs. 1 Nr. 4 BGB

Ich entziehe meinem Sohn Hans hiermit den Pflichtteil.

Ich hatte meinen Sohn bereits zu Lebzeiten in meinem Unternehmen als Prokurist angestellt. Er hat in seiner Eigenschaft als Prokurist jedoch massiv Steuern hinterzogen und war an verbotenen Preisabsprachen mit anderen Unternehmen beteiligt. Er hat mir und meinem Unternehmen durch seine Handlungen massiven Schaden zugefügt. Er wurde für seine Taten vom Landgericht München zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

Eine Beteiligung meines Sohnes an meinem Nachlass schließe ich daher auch in Form des Pflichtteils aus.

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